Westschweiz Im letzten Pornokino der Romandie werden bald Kinder betreut

Drei Jahrzehnte lang war das «Moderne» in Lausanne ein symbolträchtiger Ort für pornografisches Kino. Nun soll es zur ausserschulischen Betreuungseinrichtung umfunktioniert werden. Die Behörden bestätigen die Erteilung der Baugenehmigung.

Pornokinos braucht es weniger, Betreuungseinrichtungen mehr. Das ist die einfache Überlegung hinter der eher unkonventionellen Umnutzung des letzten Pornokinos in der Westschweiz.

Lediglich die historische Fassade des «Moderne» in Lausanne soll erhalten bleiben, erklärt das zuständige Architekturbüro im Westschweizer Radio RTS. Im Inneren werden die Vorführräume und Einzelkabinen durch Lese- oder Spielräume ersetzt. Mit der Kindertagesstätte in der Nähe des Bahnhofs reagiert die Stadt auf die wachsende Nachfrage nach ausserschulischen Betreuungsplätzen. Zudem wird das Gebäude erhöht, um Wohnraum zu schaffen.

Wann die Umbauarbeiten starten, kann das Waadtländer Architekturbüro Rivier Architectes noch nicht sagen. Der Bauplan nimmt hingegen langsam Gestalt an.

Das «Moderne» war nicht immer ein Sextempel. Im Jahr 1968 wurden hier klassische Filme ausgestrahlt, darunter auch jene von Jean-Luc Godard, den man selbst häufig dort antraf.

Später wurden darin auch Pornofilme gezeigt. 1987 kaufte Edouard Stöckli das Gebäude, und danach gab es im Kino nur noch Porno zu sehen.

Kinoeingang mit Neonschriftzug 'MODERNE' und Schild 'CINEMAS & CABINES'.
Legende: Das Pornokino hat ausgedient. Stattdessen werden hier bald Schülerinnen und Schüler betreut. Keystone

Sein Geschäft hatte Stöckli damit begonnen, Erotikfilme zu kaufen. Er versuchte, diese in der Schweiz zu vertreiben, doch kein Kinobesitzer wollte sie haben. «Sie hatten Angst, pornografische Filme zu zeigen, also war ich gezwungen, mein eigenes Kino zu kaufen», erklärte er 2015 in der RTS-Sendung «Vertigo». Es sei ein phänomenaler Erfolg gewesen: «Von morgens bis abends war es immer voll.»

Konkurrenz durch Pornhub & Co

Mit dem Ende des «Moderne» wird es in der Schweiz nur noch zwei Kinos geben, die Filme für Erwachsene zeigen, eins in Bern und eins in Zürich. Die Konkurrenz aus dem Internet macht den Einrichtungen zu schaffen. Doch noch vor zehn Jahren fand diese Art von Kinos ihr Publikum, sagt Edouard Stöckli, der damals noch zwölf dieser Kinos besass.

«Das Internet hat eine andere Funktion», sagt er. «Ich möchte Menschen sozialisieren. Das Internet individualisiert sie ein wenig, drängt sie in die Ecke. Ich bringe sie zusammen, und das mache ich sowohl in Mainstream-Kinos als auch in Pornokinos.»

Für Edouard Stöckli markiert die Schliessung des letzten Pornokinos in der Westschweiz das Ende einer Ära.

Mit «dialog» einen Blick über die Sprachgrenzen werfen

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Französisch bei RTS und wurde von der «dialog»-Redaktion übersetzt. Die Originalversion können Sie auf  RTS  lesen.

Anmerkung der Redaktion

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In einer ersten Version dieses Artikels stand geschrieben: «Erst 1987 kaufte Edouard  Stöckli das Gebäude und baute es zu einem Pornokino um. Er besass damals bereits Niederlassungen in Zürich und Basel, war auch Produzent und drehte bis zu 240 Filme pro Jahr, weshalb er noch heute den Spitznamen 'Porno Edi' trägt.»

Das Kino war bereits ein Pornokino, als Edouard Stöckli es gekauft hat. Ebenso hat Stöckli selbst keine Pornofilme gedreht.

RTS, La Matinale, 12.09.2024, 06.24 Uhr;stal

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