Abwehrvertrag unterzeichnet Deutschland und Grossbritannien rücken bei Verteidigung zusammen

  • Vier Jahre nach dem Vollzug des Brexits sind sich Grossbritannien und Deutschland wieder näher gekommen.
  • Die beiden Ländern haben in London einen gemeinsamen Verteidigungsvertrag unterzeichnet.
  • Sie wollen künftig gemeinsam Waffen produzieren, aber auch militärisch wieder enger zusammenarbeiten.

Der Ort, wo internationale Verträge unterzeichnet werden, ist selten zufällig gewählt. Heute wurden die Füllfederhalter im Trinity House im Herzen von London aufgeschraubt. Der Verwaltung der britischen Leuchttürme, Feuerschiffe und sonstigen Navigationshilfen.

Man habe die Zeichen der Zeit erkannt, sagte der britische Verteidigungsminister John Healy. Angesichts der neuen Bedrohungslage in Europa würden Deutschland und Grossbritannien künftig militärisch noch enger zusammenarbeiten.

Rheinmetall-Fabrik im Vereinigten Königreich

Beide Länder würden die gleichen Werte teilen, nämlich die Verteidigung der Freiheit. Geplant seien deshalb als erster Schritte die Eröffnung einer neuen Fabrik für Artilleriegeschütze von Rheinmetall im Vereinigten Königreich, die mehr als 400 Arbeitsplätze schaffen soll. Der Rüstungskonzern stellt in seinen britischen Werken bereits gepanzerte Fahrzeuge her.

Zudem soll die militärische Zusammenarbeit enger werden: Die deutsche Luftwaffe wird erstmals Aufklärungsflugzeuge in Schottland stationieren, welche im Nordatlantik russische U-Boote aufspüren sollen. Des Weiteren soll gemeinsam an der Entwicklung neuer Langstreckenwaffen und Drohnen gearbeitet werden, erklärte Healys deutscher Amtskollege Boris Pistorius: «Angesichts der aggressiven Politik Putins, praktizieren Deutschland und Grossbritannien eine Alternative: Solidarität und gegenseitiges Vertrauen.»

Pistorius und Healey schütteln sich die Hand.
Legende: Healey (links) und sein deutscher Amtskollege Pistorius schütteln sich im Trinity House in London medienwirksam die Hände. Jordan Pettitt/PA via AP

Mit gemeinsamen Projekten in den Bereichen Heer, Luftwaffe, Marine und Cyber würden sie den europäischen Pfeiler in der Nato stärken, fügt der deutsche Verteidigungsminister an. Die Sicherheit in Europa sei keine Selbstverständlichkeit mehr.

Das militärische Zusammenrücken illustriert, wie sich die geopolitische Lage seit dem Brexit dramatisch verändert hat. Neben den USA sind Deutschland und Grossbritannien jene Länder, die zurzeit am meisten Militärhilfe in die Ukraine liefern.

Normalisierung der Post-Brexit-Scherben

Diesen gemeinsamen Nenner betrachtet die neue Labour-Regierung durchaus als aussenpolitische Opportunität. Denn der Verteidigungsvertrag ist weit mehr als ein Abkommen, sondern ebenso Schritte zur Heilung einer zerrütteten Beziehung.

In seinen ersten 100 Tagen entwickelte der britische Premierminister Keir Starmer eine intensive Reisetätigkeit auf dem europäischen Festland, um die angeschlagene Post-Brexit-Beziehung mit der EU zu normalisieren. Starmer drängt seit seinem Amtsantritt auf eine intensivere Zusammenarbeit mit Brüssel und insbesondere Frankreich und Deutschland – nicht nur im militärischen Bereich.

In diesem Sinn könnte das heutige Verteidigungsabkommen mit Deutschland, auch als Auftakt für künftige Wiederannäherungs-Versuche an die EU in den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft oder Migration betrachtet werden.

Echo der Zeit, 23.10.2024, 18:00 Uhr

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