Ein Bild des Labour-Chefs Jeremy Corbyn an einer Wahlveranstaltung.
Legende: Lähmung und Zwist prägen seine Partei: Labour-Chef Jeremy Corbyn bei einer Veranstaltung im Dezember. Reuters

International Ein Warnsignal für Labour

Gedemütigt in Schottland und ohne regierungsfähige Mehrheit in Wales: Für die einst starke Kraft im Vereinigten Königreich sind die Regionalwahlen wenig erfreulich. In England selbst stagniert Labour. Womöglich das schrillste Alarmsignal, wie SRF-Korrespondent Martin Alioth sagt.

Der 66-jährige Sandalenträger Jeremy Corbyn führt die britische Labour-Partei seit rund acht Monaten. Er wurde ins Amt gespült auf einer Welle von neuen, mehrheitlich jungen Parteimitgliedern und Alt-Linken, die sich angewidert vom zentristischen Kurs der Blair-Partei abgewandt hatten.

Die bisherigen Eliten der Labour-Partei, namentlich die Parlamentsfraktion, verharren seither trotzig auf dem Abstellgleis. Wohl wissend, dass man Wahlen – gerade in England – nur in der Mitte gewinnt, aber ohnmächtig gegenüber der nostalgisch gestimmten Basis.

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Diese Kräfte – unterstützt von den meisten Medien – sahen die gestrigen englischen Kommunalwahlen als Hebel gegen Corbyn. Ein neuer Oppositionsführer muss doch gegen eine zerstrittene und pannenanfällige konservative Regierung punkten können, so ihre Erwartung. Jede Labour-Opposition hat das seit über 30 Jahren geschafft. Stattdessen prophezeihten die Auguren, einschliesslich der akademischen Kaffeesatzleser, empfindliche Verluste für Labour.

Ohrfeige bleibt aus

Doch das ist nicht geschehen. Ja, es gab Mandatsverluste im tiefen, zweistelligen Bereich, aber kein Scherbengericht. Labour stagniert, Corbyn ist nicht mehrheitsfähig, gewiss, aber die von vielen erhoffte Ohrfeige ist ausgeblieben.

Für die pragmatischen, zentrischen Kräfte in der Labour-Partei ist das der schlimmstmögliche Ausgang. Denn mit diesen faden Resultaten ist eine Palastrevolution nicht zu rechtfertigen – ganz abgesehen davon, dass die Moderaten keine überzeugende Galionsfigur anzubieten haben. Denn ein Nachfolger müsste ja erneut von der Basis gewählt werden, und diese steht beharrlich hinter ihrem bärtigen Messias.

Briten verdienen mehr

Für die britische Demokratie ist diese verfahrene Situation unbekömmlich. Die mit dem EU-Referendum vom 23. Juni völlig absorbierte konservative Regierung begeht einen Schnitzer nach dem anderen, muss sich deswegen aber keine Sorgen machen, denn es gibt keine schlagkräftige Opposition. Es ist das oftmals verspottete Oberhaus, das die Regierung regelmässig in Schranken weist.

Für jene Wähler, die sich von den vom Kurs abgekommenen Tories abwenden möchten, bietet Labour keine Alternative. Die Partei ist ausschliesslich mit sich selbst beschäftigt, absorbiert in einer fruchtlosen Suche nach einem sterilen Gutmenschentum. Die britischen Bürger verdienen mehr.

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