Ein Mann läuft vor einem Atomkraftwerk vorbei.
Legende: Dürfen weiterlaufen: Im ausgehandelten Atomabkommen mit dem Iran, muss das Land keine einzige Atomanlage schliessen. Keystone

International «Jubeln sollte niemand, erleichtert sein darf man durchaus»

Das Atomabkommen mit dem Iran hat den amerikanischen Senat passiert. Die Demokraten blockierten eine gegen das Abkommen gerichtete Resolution der Republikaner. Doch was taugt das Abkommen?

Der amerikanische Präsident spricht von einem «Triumph der Diplomatie», von einem «Sieg für die Sicherheit in der Welt». Die US-Republikaner hingegen, kräftig unterstützt von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, fürchten eine «atomare Apokalypse im Nahen Osten».

Zugeständnisse beider Seiten

Beide haben wohl unrecht, auf jeden Fall übertreiben sie kräftig. Das Atomabkommen, das nun in Kraft treten kann, ist für niemanden ein Triumph. Weder für den Westen noch für den Iran. Beide Seiten machten schmerzliche Zugeständnisse.

Jubeln sollte niemand, erleichtert sein darf man durchaus. Der Vertrag von Wien macht es zumindest ein bisschen weniger wahrscheinlich, dass der Iran demnächst Atombomben besitzt.

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Sanktionen fallen nach und nach

Doch unmöglich macht er es nicht. Zwar musste Teheran strenge Auflagen schlucken. Die Weltgemeinschaft, vor allem der Westen, hat hart verhandelt. Doch alles kriegte er nicht: Weder einen totalen Stopp des iranischen Atomprogramms, noch wirklich unbegrenzte Inspektionen durch die UNO-Atombehörde IAEA jederzeit, unangemeldet, überall.

Der Iran muss keine einzige Atomanlage schliessen, und er darf schon in fünf Jahren wieder völlig legal Waffen, in zehn Jahren sogar Raketen kaufen.

Die übrigen Sanktionen fallen sogar noch schneller. Im Dezember will die IAEA berichten, ob der Iran sich an die Bedingungen des Atomabkommens hält. Geht dann der Daumen nach oben, fällt das Gros der Boykotte.

Fredy Gsteiger

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Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

Gefahr nicht gebannt, bloss vertagt

Und dann? Dann bleibt der Iran einem rigiden Kontrollregime unterworfen. Wird er bei Verletzungen ertappt, treten die Sanktionen wieder in Kraft.

Was das Abkommen vor allem bringt, ist Zeit: Es sorgt dafür, dass der Iran nicht mehr binnen Wochen imstande wäre, Atombomben zu bauen, sondern dazu mindestens ein Jahr bräuchte. Aber bauen kann er sie immer noch.

Die Gefahr einer militärischen Atommacht Iran ist nicht gebannt, bloss vertagt. Der Iran ist heute schon eine Atom-Schwellenmacht. Er verfügt über das Knowhow, das Personal, um Atombomben herzustellen, wenn er das politisch will. Diese Fähigkeit und das Wissen kann ihm niemand mehr nehmen, mit keinem Abkommen. Und übrigens auch nicht mit militärischen Mitteln.

Dennoch kann die Welt aufatmen, dass das Atomabkommen nun die entscheidende, die US-parlamentarische Hürde genommen hat. Nicht weil es das beste Abkommen ist. Aber immerhin das bestmögliche.

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