Der russische Hilfskonvoi fährt durch die Rostov-Region in Russland
Legende: Der russische Hilfskonvoi steuert offenbar einen Grenzübergang an, der von den Rebellen kontrolliert wird. Keystone

International «Putin steht unter einem gewissen Druck»

Der Hilfskonvoi ist ein Propagandacoup, der sich ans heimische Publikum richtet. Das sagt SRF-Korrespondent Christof Franzen. Dass Russland darin Waffen transportiere, sei eher unwahrscheinlich.

Trotz Warnungen der ukrainischen Regierung ist der russische Hilfskonvoi im Moment offenbar unterwegs Richtung Rebellengebiet. Was genau erhofft sich Putin von diesem Transport?

SRF-Korrespondent Christof Franzen: Die Aktion ist vor allem ein Propagandacoup, der sich in erster Linie an die Russen richtet. Denn selbst wenn Putins Zustimmungsraten sehr hoch sind, steht er unter einem gewissen Druck: Die Nationalisten und ein Teil der Kommunisten fordern einen Einmarsch in die Ukraine. Diese Stimmen sind noch lauter geworden, seitdem die Separatisten an Territorium verlieren. Solange Putin diesen Forderungen nicht nachgibt, muss er den Russen etwas bieten.

Christof Franzen

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Der Journalist arbeitet seit 2003 für SRF, seit 2007 als Korrespondent in Moskau.

Der Hilfskonvoi als Beruhigungspille fürs heimische Publikum?

Ja, das ist sicher ein wichtiger Grund. Das sieht man nicht zuletzt daran, wie prominent die russischen Medien über die Hilfsaktion berichten – und daran, dass etwa ein orthodoxer Priester den Konvoi gesegnet hat.

Es gibt aber auch Stimmen, die den Hilfskonvoi als erstes Zeichen eines Richtungswechsels interpretieren.

Aus Kreisen der pro-ukrainischen Regierung in Donezk heisst es, der Hilfskonvoi sei möglicherweise ein Zeichen der Entspannung. Putin präsentiere sich als Helfer, was ihm erlauben würde, trotz einem Rückzug das Gesicht zu wahren. Insgesamt aber stehen die Ukrainer der Hilfsaktion sehr skeptisch gegenüber.

In der Ukraine gibt es Befürchtungen, dass Russland in diesen Lastwagen nicht nur Hilfsgüter transportiert, sondern auch Waffen versteckt hält.

Die Möglichkeit besteht natürlich – gerade, wenn keine unabhängige Organisation wie das Rote Kreuz den Inhalt der Ladungen kontrollieren kann. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht: Russland hat ganz andere Möglichkeiten, Kämpfer und Waffen in die Ostukraine zu schicken. Laut Berichten der OSZE gehen Uniformierte frei über die offene Grenze zwischen Russland und der Ostukraine.

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Die Rebellen verlieren nicht nur die Kontrolle über die eroberten Gebiete. Heute gab Waleri Bolotow, der selbsternannte «Volksgouverneur» von Luhansk, seinen Rücktritt bekannt. Er ist bereits der zweite hochrangige Separatistenführer innerhalb einer Woche, der seinen Posten aufgibt. Ein Zeichen dafür, dass Moskau seine Unterstützung für die Rebellen zurückzieht?

Nein, das denke ich nicht. Bolotow tritt offenbar zurück, weil er verwundet ist. Und Putins schöne Worte bedeuten nichts, solange er die Separatisten nicht dazu auffordert, die Waffen ruhen zu lassen.

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