Konflikt im Nahen Osten Israel und Hamas im Poker der Grossmächte

Gegensätzliche und widersprüchliche Interessen auf allen Seiten und auf allen Ebenen: Die Gemengelage, welche die Konflikte im Nahen Osten immer wieder blutig werden lässt, ist bisweilen auch der Grund, warum diese Konflikte nicht über den Nahen Osten hinauswachsen. Das zumindest ist eine der wenigen Hoffnungen, an die man sich nach Beginn der Hamas-Offensive gegen Israel klammern darf.

Dass der Konflikt innerhalb der Region eskaliert, ist wahrscheinlich. Israel wird mit Härte auf die Ermordung und die Entführung Hunderter seiner Bürgerinnen und Bürger reagieren. Nicht ausgeschlossen, dass nach der Hamas in Gaza eine weitere radikal-islamische Organisation, etwa die Hisbollah in Libanon, eine Militäroffensive gegen Israel starten wird. Zumal sowohl die Hamas als auch die Hisbollah von Israels Erzfeind Iran unterstützt werden.

Diverse Vermittlungsversuche angekündigt

Auch wenn Vermittlungserfolge im Nahen Osten meist von nur beschränkter Dauer sind: Versuche wird es geben. Bereits hat Ägypten angekündigt, vermitteln zu wollen, Deutschland und andere Staaten wollen die Bemühung unterstützen.

Dafür, dass der Hamas-Israel-Krieg nicht zu einem Weltkrieg heranwachsen wird, gibt es freilich noch andere Gründe. Auch die Interessenlage der Grossmächte ist nämlich voller Widersprüche.

Krieg weder für USA noch für Russland ideal

Die USA stehen an der Seite Israels, versprechen uneingeschränkten Beistand. Die Misstöne zwischen den beiden Staaten dürften vorerst verstummen. Die USA haben jedoch kein Interesse, sich neben der Rivalität mit China und dem Ukraine-Krieg um eine dritte aussenpolitische Grossbaustelle kümmern zu müssen. Sie dürften Israel zur Mässigung ermahnen.

Russland käme eine Eskalation eher gelegen. Die Aufmerksamkeit des Westens würde nämlich vom Ukraine- auf den Nahost-Konflikt gelenkt. Die Furcht der Ukraine, in Vergessenheit zu geraten, ist berechtigt. Doch auch Russlands Interessen sind widersprüchlich: Es pflegt gute Beziehungen zu Iran, aber ebenso zu den beiden Staaten Israel und Saudi-Arabien, die sich aufeinander zubewegen. Eine Eskalation des Hamas-Israel-Kriegs würde auch Russland in ein aussenpolitisches Dilemma stürzen.

Eskalation würde Chinas Zielen widersprechen

China versucht sich im Nahen Osten als Vermittler und als Dealmaker in Szene zu setzen. Etwa bei der Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran oder mit der Aufnahme Israels ins chinesische Infrastrukturprojekt «Neue Seidenstrasse». China weiss, wie leicht man sich im Nahen Osten die Finger verbrennen kann. Seine Propaganda verspricht der Welt «Frieden» und «Harmonie», ein vom Nahen Osten ausgehender grosser Krieg würde nicht zu Chinas Ambitionen passen.

Vieles spricht also dafür, dass der jüngste Nahost-Konflikt dem üblichen Muster folgen wird: Das Blutvergiessen wird so schnell nicht beendet, eine nachhaltige Lösung wird es nicht geben – aber auch keine Eskalation des Kriegs über die Region hinaus.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

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Krieg im Nahen Osten

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Tagesschau, 8.10.2023, 19:30 Uhr

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