Massentourismus auf Kanaren Tausende auf den Strassen: Das bringen die Proteste

Worum geht es? Auf den zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln haben mehrere Tausend Menschen gegen den Massentourismus demonstriert. Die Behörden gaben die Zahl der Teilnehmer mit etwa 10'000 an, wie die spanische Nachrichtenagentur Europapress meldete. Bereits im April hatte es Demonstrationen gegeben, damals waren offiziellen Angaben zufolge mehr als 55'000 Inselbewohner auf die Strasse gegangen. Die Inseln sind aufgrund ihrer Lage auch im Winter ein beliebtes Reiseziel.

Weshalb wird protestiert? In Lagen, die bei Touristen beliebt sind, werden viele Privatwohnungen in Ferienapartments verwandelt. Das treibt die Preise in die Höhe und es verknappt den Wohnraum. «Dazu kommen auf den Kanaren noch ganz andere existenzielle Probleme», erklärt die freie Journalistin Julia Macher aus Barcelona. «Das Trinkwasser ist knapp. Manche Dörfer müssen mit Tanklastern versorgt werden oder mit Wasser aus Entsalzungsanlagen, und ein paar Kilometer weiter planschen die Touristen im Pool. Das sorgt natürlich für Ärger.» Dann gebe es auf den Kanaren auch das Problem, dass die Kläranlagen vieler Hotelanlagen an der Küste nicht ausreichend kontrolliert würden und dann ihr schmutziges Wasser in das Meer leiteten, Strände wegen Verschmutzung gesperrt werden müssten. «Dazu kommt auch noch der Ärger, sich quasi als Fremder in der eigenen Stadt, auf der eigenen Insel zu fühlen.»

Was wird gefordert? «Sie fordern vor allem ganz klare Limiten», sagt Julia Macher. Es gehe nicht um eine Grundsatzfrage – dass man den Tourismus ganz abschaffen wolle –, sondern darum, den bestehenden zu limitieren. Dabei sollen sowohl die Anzahl der Flüge begrenzt werden als auch die Zahl der Kreuzfahrtschiffe, die auf den Kanaren anlegen, sowie die der Hotelbetten. Man fordert, den Verkauf von Wohnungen an wohlhabende Ausländer zu limitieren. Auch Golfplätze, Mietwagen und der Zugang zu Naturschutzgebieten sollen stärker reglementiert werden. «Man möchte Limits für die gesamte touristische Infrastruktur.»

Menschenmenge bei Klimademonstration unter Palmen.
Legende: Vergangenes Wochenende demonstrierten Tausende auf den kanarischen Inseln gegen Massentourismus – hier in Gran Canaria. Imago/xEuropaxPressxCanariasx

Was haben die Proteste gebracht? Auf die grossen Proteste im Frühjahr und Frühsommer hat die kanarische Regionalregierung mit der Bildung eines 100-köpfigen Expertenrats reagiert. Dieser Expertenrat sollte Massnahmen vorschlagen, die den Tourismus sozial verträglicher gestalten. Erste Ideen hat der Rat letzte Woche präsentiert. «Es sind vor allem Pläne, den Bau neuer Wohnungen für Einheimische zu fördern und den Umweltschutz zu stärken. Und man möchte eine Stelle einrichten, die das demografische Wachstum überwacht, also auch den Zuzug von sonnenhungrigen Mittel- und Nordeuropäern», sagt Journalistin Macher.

Sind die Protestierenden damit zufrieden? Die Umweltschützer und Anwohnervereine, die auch zu der Demonstration am Wochenende aufgerufen haben, haben diese Vorschläge als ungenügend bezeichnet und kritisieren auch die Zusammensetzung des Rats. «Sie sagen, dem gehörten nur die üblichen Verdächtigen an.»

Wie geht es nun weiter? Es sei gut möglich, dass die Proteste im nächsten Frühjahr weitergehen, wenn sich nichts an den Rahmenbedingungen ändert, so Julia Macher. Man werde das Problem nicht von heute auf morgen lösen können. «Aber wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie mit ihren Sorgen ernst genommen und auch stärker an Entscheidungsprozessen beteiligt werden, dann könnte sich etwas ändern.» Vor allem, wenn man die niedrigen Löhne angehen würde, könnte sich die Wut vieler Einheimischer über den Tourismus schon etwas besänftigen lassen.

SRF 4 News, 22.10.2024, 6:55 Uhr;kobt ; 

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