Mögliche Kandidatin Frankreichs Linke schlägt Lucie Castets als Premierministerin vor

  • In Frankreich hat sich das Linksbündnis auf eine mögliche Kandidatin für das Amt der Premierministerin geeinigt: Lucie Castets ist 37 Jahre alt, die frühere Sozialistin ist heute parteilos und zurzeit Finanzdirektorin der Stadt Paris.
  • Präsident Emmanuel Macron machte umgehend deutlich, dass er mit der Ernennung einer neuen Regierung bis Mitte August warten wolle.
  • Die Chancen von Castets sind gering. Mangels absoluter Mehrheit im Parlament kann die Linke Macron nicht zur Ernennung einer oppositionellen Premierministerin zwingen.

Rund zwei Wochen nach dem Überraschungssieg bei der Parlamentswahl in Frankreich hat sich das Linksbündnis auf eine Kandidatin für das Amt der Premierministerin geeinigt. Lucie Castets, eine Beamtin, soll Regierungschefin werden, wie die Parteien mitteilten.

«Mit Entschlossenheit und Verantwortung nehme ich den Vorschlag des Nouveau Front Populaire an. Ich werde meine ganze Energie und Überzeugung investieren», so Castets auf X.

Nur kurz nach der Ankündigung von Castets gab Präsident Emmanuel Macron ein Fernsehinterview, ging aber nicht näher auf den Vorschlag der Linken ein. Es gehe nicht um einen bestimmten Namen. Seine scheidende Regierung um Gabriel Attal werde bis Mitte August im Amt bleiben. Erst danach werde die Besetzung des Premierpostens aktuell.

Laut Macron forderte Castets ihre sofortige Ernennung. «Ich bin bereit, wir sind bereit. Ich fordere den Präsidenten auf, mich zur Premierministerin zu ernennen», unterstrich sie im Sender France Inter.

Wie sind die Chancen von Castets?

Ihre Chancen, Premierministerin zur werden, seien vermutlich nicht sehr hoch, schätzt SRF-Frankreich-Korrespondent Daniel Voll: Bereits im ersten Interview machte sie deutlich, dass für sie eine Koalition mit Macrons grossem Parteienbündnis nicht infrage komme. Zudem will sie die von Macron eigenständig durchgesetzte Erhöhung des Rentenalters auf 64 Jahre rückgängig machen. 

Mangels absoluter Mehrheit im Parlament kann die Linke Macron nicht zur Ernennung einer oppositionellen Premierministerin zwingen. Die Frage ist, ob Macron die Ernennung von Castets mit dieser Begründung blockieren wird. Oder ob er ihr aus taktischen Gründen dann doch den Regierungsauftrag gibt – in der Überzeugung, dass sie bei der ersten Vertrauensabstimmung in der Nationalversammlung scheitert.

Werdegang einer Spitzenbeamtin

Die 37-jährige Castets ist Absolventin der Elite-Verwaltungshochschule ENA und leitet heute die Finanzdirektion der Stadt Paris. Zuvor war sie im Finanzministerium für Finanzkontrolle und Geldwäscherei zuständig.

Parteipolitisch ist Castets nicht mehr engagiert. Bei den Sozialisten (Parti Socialiste) kandidierte sie einst in der Normandie für das Regionalparlament. Später trat sie aus Protest gegen die Wirtschaftspolitik des damaligen sozialistischen Präsidenten François Hollande aus der Partei aus.

Später gründete sie eine Organisation für die Verbesserung des öffentlichen Dienstes, für welche sie auch als Sprecherin auftrat. Dieses Engagement dürfte nach zweiwöchigen Diskussionen einer der Gründe gewesen sein, dass sich das Linksbündnis auf Castets geeinigt hat, schätzt Korrespondent Voll.

 

Rendez-vous, 24.07.2024, 12:30 Uhr ; 

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