Nach Veröffentlichung Trumps Steuererklärungen demontieren sein eigenes Bild

Der Verdacht war schnell ausgesprochen: Noch im Wahlkampf um die Präsidentschaft stellte die demokratische Kandidatin Hillary Clinton die Frage, die Trump als Geschäftsmann, als ehemaligen republikanischen Kandidaten, später als Präsident und nun als erneuten selbsterklärten Präsidentschaftsanwärter immer umwehte: Hat er etwas zu verstecken?  

Jahrelanger Rechtsstreit 

Trump selbst trug das Seine dazu bei, den Verdacht seiner Gegner zu nähren. Er brach mit der (wohlgemerkt durch kein Gesetz verlangten) Gepflogenheit seiner Vorgänger, die ihre Steuererklärungen bereits als Kandidaten und später als Präsidenten veröffentlicht hatten.

Als der zuständige Ausschuss des Repräsentantenhauses von der US-Steuerbehörde die Herausgabe erwirken wollte, begann er einen jahrelangen Gerichtsstreit. Nun, nach einem Entscheid des Obersten Gerichtshofs zuungunsten Trumps, veröffentlichte der zuständige Ausschuss dessen Steuererklärungen in den letzten Tagen demokratischer Mehrheit im Repräsentantenhaus. 

Vielschichtige Interessenkonflikte

Das genaue Ausmass dessen, was Trumps Steuererklärungen enthüllen, oder was sie nicht enthüllen, wird sich erst zeigen. Die Dokumentation umfasst Tausende von Seiten, und die US-Steuerbehörde selbst hatte in einer früheren internen Notiz zu den eingereichten Papieren bemerkt, ihr «mangele es an Ressourcen», um die von Trump angeführten Zahlen zu überprüfen. 

Grundsätzlich sind Steuererklärungen etwas vom Privatesten, das es gibt. Andererseits ist ein Präsident der USA kein normaler Steuerzahler: US-Präsidenten erhalten zwar ein Gehalt wie andere staatliche Angestellte ebenso, sie können daneben aber aus weiterlaufenden privaten Geschäften oder Investitionen weitere Einkünfte erzielen. Und hier darf es das Parlament, aber auch die Wählerinnen und Wähler, durchaus interessieren, ob es Interessenkonflikte gibt zwischen solchen Einkünften und der Politik eines Präsidenten. 

Kaum politische Auswirkung 

Die Steuererklärungen Trumps zeigen auf den ersten Blick vor allem, dass er bei weitem nicht der erfolgreiche und reiche Geschäftsmann ist, den er als sein eigenes Bild zeichnet. Er führte jedenfalls gewaltige Verluste an, um Steuerzahlungen zu vermeiden.

Doch dies wird Trump, der bekanntlich eine weitere Kandidatur lanciert hat, politisch kaum schaden. Wer Trump bisher wählte, wird Trump auch ein weiteres Mal wählen. Was ihm Schaden zufügen könnte, wäre, wenn innerparteiliche Gegner in den kommenden Kampagnen diese Informationen aufgreifen, um ihn anzugreifen.

Pascal Weber

USA-Korrespondent

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Pascal Weber arbeitet seit 1999 für SRF. Als Redaktor und Produzent war er zunächst in der Sportredaktion tätig, danach bei «10vor10». Von 2010 bis 2021 war er als Korrespondent im Nahen Osten. Er lebte zuerst in Tel Aviv, dann lange Jahre in Kairo und Beirut. Nun arbeitet er für SRF in Washington.

Tagesschau, 30.12.2022, 19:30 Uhr

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