Nahostkonflikt Palästina-Freunde ringen mit der Hamas-Frage

Palästina-Unterstützer wie der grüne Ex-Nationalrat Geri Müller verurteilen die Terrorattacke der Hamas – wollen sich aber nicht klar von der Organisation distanzieren.

Er ist der wohl bekannteste Palästina-Freund der Schweiz – und ein scharfer Kritiker der israelischen Regierung: Geri Müller präsidierte als Nationalrat die «Freundschaftsgruppe Schweiz – Palästina» und empfing 2012 drei Vertreter der Hamas im Bundeshaus, was ihm heftige Kritik eintrug.

Der grüne Ex-Nationalrat verteidigt diesen Besuch auch heute noch: Die drei Männer hätten ein Problem mit einer Medikamentenlieferung besprechen wollen. Er habe sie ins Bundeshaus geführt, wie auch zahlreiche andere Gesprächspartner aus dem Ausland. Man müsse mit allen reden – auch mit der Hamas. «Mir war es wichtig, mit den Leuten im Gespräch zu bleiben, um allenfalls gewisse Sachen verhindern zu können.»

«Gewalt erzeugt Gegengewalt»

Geri Müller präsidiert die Gesellschaft Schweiz – Palästina (GSP), die sich für die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser einsetzt. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel verurteilte die GSP diesen nicht explizit – sondern «jegliche Gewaltanwendung». Beide Seiten hätten in der Geschichte des Nahostkonflikts Verbrechen begangen. GSP verweist auf die Übermacht Israels: Die «real existierende Apartheid» Israels und das «Openair-Gefängnis Gaza» seien unerträglich.

Warum hat sein Verein die Attacke der Hamas nicht ausdrücklich verurteilt? «Weil die ganze Gewalt zusammenhängt. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Und wir verurteilen jede Form von Gewalt», sagt Müller. Man könne die Attacke nicht als einzelne Tat sehen. «Es ist immer die Frage, was vorher und was danach passiert ist – es ist ein Kontinuum.» Den Vorwurf der Relativierung weist er zurück.

Man müsse den Angriff der Hamas im Kontext der Unterdrückung der Palästinenser sehen: Das sagt auch Birgit Althaler, Gründungsmitglied der Organisation BDS Schweiz. Diese ist Teil einer weltweiten palästinensischen Bewegung, die zum Boykott Israels aufruft.

Umstrittenes Hamas-Verbot

Althaler bedauert die zivilen Opfer – auf beiden Seiten. Zum Terror der Hamas antwortet sie ausweichend: «Ich verurteile Angriffe auf Zivilpersonen und Kriegsverbrechen. Es steht mir nicht zu und es ist nicht mein Interesse, sonst Aussagen über die Hamas zu machen.» Ob Hamas eine Terrororganisation ist, will Althaler nicht kommentieren.

Geri Müller sagt: «Natürlich löst die Hamas einen Terror aus in der Definition von Terror, das sehe ich auch so.» Aber ob sie als Terrororganisation gelten und verboten werden soll, prüfe jetzt der Bundesrat. «Ich will ihm nicht vorgreifen.»

Palästinensische Freiheitsbewegung

Der Nahost-Experte Victor Willi sagt, die Hamas generell als Terrororganisation zu bezeichnen, sei verfehlt – sie sei eine palästinensische Befreiungsorganisation mit einem terroristischen militärischen Flügel. Dieser habe sich in den letzten Jahren radikalisiert. Aber der Kerngedanke der Freiheitsbewegung erkläre gewisse Sympathien der Linken für die Hamas.

«Die Befreiung des Menschen ist ja ein sehr zentrales Element der linken Ideologie in verschiedener Ausrichtungen – und jetzt in diesem Fall ist Israel sozusagen die dominierende Macht und die Palästinenser sind das unterdrückte Volk. Darum kann sich die Linke leicht mit dieser Freiheitsbewegung der Palästinenser identifizieren.» 

SRF-Rundschau vom 8. November 2023, 20.05 Uhr

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