Neue Koalition in Israel Eine dunkle Regierung zum Lichterfest

Rechtzeitig zum Beginn des jüdischen Lichterfestes Chanukka hat es Benjamin Netanjahu geschafft: Er ist zurück an der Macht, mit einer Koalition von extrem rechten und ultra-religiösen Parteien. Vierzig Tage nach den letzten Knesset-Wahlen – den fünften Parlamentswahlen in vier Jahren – hat Netanjahu, nur Stunden vor Ablauf der Frist, dem Präsidenten mitgeteilt, er habe eine Mehrheitsregierung.

Noch sind Abkommen mit einzelnen Parteien der Koalition nicht unterschrieben, weil ihre Forderungen selbst Netanjahu zu extrem sind. Die kleinen, extremen Parteien wissen, dass Netanjahu ohne sie keine Regierung bilden kann.

Radikale Forderungen

Sie fordern einen entsprechend hohen Preis: die gesetzliche Legalisierung der Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum, das Aussetzen der Stromproduktion am Heiligen Shabbat, Anti-LGBTQ-Gesetze, die Immunität für israelische Soldaten, welche Palästinenser und Palästinenser erschiessen, das Oberkommando der Polizei für Politiker, welche sich offen rassistisch über die arabische Bevölkerung äussern, und selbst eine Gesetzesänderung für angeklagte Politiker, damit diese trotz Korruptionsvorwürfen Ministerämter übernehmen können.

«Linke Verschwörung»

Der Mann, der an der Spitze dieser Regierung steht, muss sich selbst wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten: Benjamin Netanjahu. Der Prozess gegen ihn sei die Folge einer linken Verschwörung und einer voreingenommenen Justiz, findet er.

Allerdings gibt es die Linke spätestens seit den letzten Parlamentswahlen kaum noch. Und Netanjahu hat Koalitionspartner gefunden, die ihm helfen werden, die Justiz auszuhebeln oder sie zumindest möglichst stark zu kontrollieren.

Nicht nur in Israel

Die USA, Israels bester Freund und Geldgeber, zeigten sich besorgt über Netanjahus neue Regierung. Präsident Joe Biden fürchtet, dass die rechtsextremen Politiker die Situation in den besetzten Palästinensergebieten zum Explodieren bringen könnten. Das ist allerdings längst passiert. Seit Februar erlebt Israel Terroranschläge wie seit Jahren nicht mehr, und reagiert darauf mit einer Anti-Terrorkampagne, die Hass, Wut und Verzweiflung in den besetzten Gebieten noch mehr schürt.

Auch wenn der jahrzehntealte Nahostkonflikt nur noch selten in den Schlagzeilen ist: aus diesem ist Israels neue extreme Regierung entstanden. Sie ist zudem auch ein Zeichen der Zeit, wie die USA und viele andere Länder wissen. In diesem Sinne ist Israel nicht anders als andere Länder, die sich als Demokratien verstehen. Mit dem Finger auf Israel zu zeigen wegen seiner extremen neuen Regierung, ist deshalb nicht angebracht. Das Demokratie-Verständnis steht weltweit unter Druck. Israel ist dafür nur ein weiteres Beispiel.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

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Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandsredaktion von Radio SRF.

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SRF 4 News, 22.12.2022, 7:11 Uhr

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