Raumfahrtfirma SpaceX «Eine neue Dimension in der Raumfahrt»

Noch diese Woche soll ein neuer Startversuch der grössten je gebauten Rakete, dem Starship von Elon Musks SpaceX, erfolgen. Mit dem Raumschiff soll dereinst der Mond, später der Mars erreicht werden. Aber auch andere Anwendungen würden im All wohl bald möglich, sagt Michael Gschweitl, der in Sachen Raumfahrt an der ETH Zürich forscht.

Michael Gschweitl

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Michael Gschweitl hat in der Raumfahrtbranche gearbeitet und forscht an der ETH Zürich. Dort ist er Teil des Teams «Space Initiatives», das sich um die Weltraum-Beteiligungen der ETH kümmert.

SRF News: Erhält das SpaceX-Projekt zurecht so viel Aufmerksamkeit?

Michael Gschweitl: Ja, denn es peilt eine neue Dimension in der Raumfahrt an. Ziel des Starships und von SpaceX ist die vielfache Wiederverwendung der Raketenkomponenten für neue Starts.

Die Dimensionen und Ambitionen des Projekts bedeuten einen Riesenschritt für die Raumfahrt.

Das Thema Nachhaltigkeit in der Raumfahrt wird dadurch auf eine völlig neue Ebene gestellt. Die Dimensionen und Ambitionen des Projekts bedeuten einen Riesenschritt für die Raumfahrt.

Start von Starship am Donnerstag?

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Starship auf der Startrampe (Luftaufnahme).
Legende: Das Starship startet vom äussersten südwestlichen Zipfel von Texas aus. Imago/SpaceX

Der erste Testflug des Starships, des längsten Raketensystems der Raumfahrtgeschichte, ist jetzt für den morgigen Donnerstag angesetzt, in einem Zeitfenster zwischen 15.30 und 16.30 Uhr MESZ. Die Rakete hätte ursprünglich am Montag von Texas aus zu einem kurzen Testflug abheben sollen. Doch der Countdown wurde 40 Sekunden vor dem Start wegen eines eingefrorenen Ventils angehalten.

Das Raketensystem Starship besteht aus dem rund 70 Meter langen Booster «Super Heavy» und dem rund 50 Meter langen, ebenfalls Starship genannten, eigentlichen Raumschiff. Darin sollen dereinst pro Start bis zu 100 Tonnen Ladung ins All befördert werden können. (dpa)

Die Wiederverwendung in der Raumfahrt ist ja nicht neu – man denke nur an die US-Raumfähren Space Shuttles. Was ist da so neu bei SpaceX?

Die Wiederverwertung mancher Teile, Hunderte von Malen, ist in der Dimension, wie das SpaceX plant, völlig neu. Im Moment ist Musks Unternehmen die einzige Weltraumfirma, die Teile ihrer Raketen wiederverwendet. Bei allen anderen Raketentypen entsteht viel Müll, Nachhaltigkeit ist dort ein Fremdwort.

Mit SpaceX sollen Transporte in den Weltraum viel billiger werden.

Durch die Wiederverwendbarkeit werden auch die Kosten der Raketensysteme und -starts massiv reduziert. Auch das ist eines der grossen Ziele von SpaceX und Starship: Transporte in den Weltraum sollen viel billiger werden.

Wie utopisch sind Musks Ankündigungen von regelmässigen Flügen zum Mond oder einer baldigen Mission zum Mars?

Eine Reise zum Mars ist wohl noch sehr weit weg, das sehe ich eher bei den Utopien als bei der Realität. Doch die Schaffung von grossen Transportkapazitäten im erdnahen Orbit auf bis zu rund 700 Kilometer Höhe – zum Vergleich: die Internationale Raumstation ISS umkreist die Erde in rund 400 Kilometer Höhe – ist sehr konkret. Auch Mondmissionen sind im Bereich des Möglichen, es gibt hier ja Projekte wie Artemis von Nasa, Esa und anderen, die unter anderem auch auf Starship setzen.

So wichtig ist Elon Musk für SpaceX

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Elon Musk mit T-Shirtaufdruck «Occuppy Mars».
Legende: Reuters/Adrees Latif

Zur Rolle von SpaceX-Haupteigentümer Elon Musk beim Starship-Projekt sagt Michael Gschweitl: «Er hat das Projekt durch seine Persönlichkeit stark vorangetrieben – auch wenn in der jetzigen Phase das Team, welches das Projekt tatsächlich realisiert, natürlich viel wichtiger ist. Was Musk und SpaceX geschafft haben: Sie haben die Weltraumfahrt-Branche ganz ordentlich durchgewirbelt. So hat er das Thema Wiederverwendbarkeit von Raketen – es wurde vor vielen Jahren aus technischen Gründen und weil es dafür keine wirtschaftliche Notwendigkeit gab, quasi beerdigt – wieder aufs Tapet gebracht. Ganz einfach, indem er es gemacht hat. Das hat dazu geführt, dass auch die Konkurrenz nachziehen musste.»

Was können diese geplanten Infrastrukturprojekte im All und um den Mond bringen?

Mittel- und langfristig gibt es Konzepte, den Weltraum als Produktionsstätte zu nutzen. Es könnten Produkte, für deren Herstellung kleine Gravitationskräfte und sehr tiefe Temperaturen nötig sind, in den Weltraum verlagert werden. Dafür muss auf der Erde ein ausgesprochen grosser Aufwand betrieben werden.

Es herrscht Aufbruchstimmung – ähnlich wie die Goldgräberstimmung im Wilden Westen in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Erste Versuche in dem Bereich betreffen Life Sciences – also Pharmaprodukte. Geforscht wird etwa in Richtung Organoide oder künstliche Organe. Hier herrscht gerade Aufbruchstimmung, so ähnlich wie die Goldgräberstimmung im Wilden Westen in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Das Gespräch führte Dominik Brand.

SRF 4 News, 19.4.2023, 09:10 Uhr ; 

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