Russische Rekrutierung Kuba zwischen Russland und dem Westen

Eine Arbeit auf dem Bau und Geld – damit lockten Menschenhändler junge Kubaner nach Moskau, erzählen Angehörige der Betroffenen. Schliesslich kämpften sie aber im Krieg. Die kubanische Regierung zeigt sich empört über die Rekrutierung, weist die Berichte aber nicht zurück.

Im Krieg in der Ukraine kämpfen nicht nur Russen gegen Ukrainer. Sondern auf beiden Seiten sind auch Ausländer im Einsatz. Vor einer Woche wurde bekannt, dass die russische Armee auch Kubaner rekrutiert hat. Marilin ist eine 60-jährige Kubanerin. Sie hält ihr Handy vor eine laufende Kamera. Auf diesem sieht man das Bild ihres 27-jährigen Sohnes. Er steckt in einem grünen Kampfanzug. Mutter Marilin beteuert: Man habe ihrem Sohn vorgegaukelt, er könne in Russland als Bauarbeiter viel Geld verdienen. Doch nun sei er auf dem Weg an die Front.

Dass an solchen und weiteren Berichten etwas dran ist, gab die Regierung in Havanna Anfang Woche unumwunden zu. Auf Kuba operierte ein Ring von Menschenhändlern, der Kubaner über Moskau in den Krieg schleuste. Am Donnerstag liess die Regierung in Havanna verlauten, es sei ihr gelungen, 17 Verdächtige zu verhaften. Ihnen drohen lange Haft oder gar die Todesstrafe.

Taufrische Reisepässe – wussten kubanische Behörden also davon?

Kubas Regierung zeigt sich empört darüber, dass Kubaner rekrutiert wurden. Aber hat sie tatsächlich nichts davon gewusst? Kuba verfügt über einen gut dotierten Sicherheitsapparat. Dass Menschenhändler unbemerkt dutzende oder gar hunderte Kubaner rekrutieren können, ist nicht sehr wahrscheinlich.

Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in Russland

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  • Tausende russische Kriegsdienstverweigerer begehen seit der Teilmobilmachung Fahnenflucht aus Angst vor einem Einsatz in der Ukraine.
  • Gemäss Angaben des russischen Parlaments droht Personen, die Kriegshandlungen verweigern, eine Haftstrafe von drei Jahren.
  • Das «eigenmächtige Entfernen von der Einheit während einer Mobilmachung» werde sogar mit 15 Jahren Haft bestraft.

Es kommt aber noch etwas Weiteres dazu: Gemäss gehackten Daten verfügten die jungen Kubaner, die von Kuba nach Moskau reisten, über eben erst ausgestellte, also taufrische Reisepässe. Die Vergabe kubanischer Reisepässe ist aber ein kompliziertes Unterfangen und wird streng überwacht. Dass die Behörden rein gar nichts von diesem Menschenhandel mitbekommen haben, wird so nochmals unwahrscheinlicher.

Stimmenthaltung Kubas an UNO-Vollversammlung

Vor gut einem Jahr verurteilte die UNO-Vollversammlung den russischen Angriffskrieg mit einer deutlichen Mehrheit. Kuba enthielt sich damals der Stimme, zusammen mit 33 weiteren Ländern. Nun werden Kubaner zwar für diesen Krieg rekrutiert, doch das offizielle Havanna will davon rein gar nichts gewusst haben und präsentiert im Handumdrehen Schuldige.

Kuba zwischen Russland und dem Westen

Offensichtlich laviert Havanna zwischen den Blöcken. Kuba hängt stark von Russland ab und will es sich mit Putin auf keinen Fall verderben. Denn Russland liefert Öl und Technologie und stundet Milliardenkredite. Gleichzeitig will Havanna den Westen zumindest nicht offensichtlich brüskieren. Denn die USA könnten das seit der kubanischen Revolution geltende Wirtschaftsembargo wieder verschärfen. Und EU-Staaten könnten ähnliche Massnahmen ergreifen. Auf der Insel ging der Kalte Krieg nie ganz zu Ende. Und der Ukraine-Krieg heizt ihn nun wieder an.

Echo der Zeit, 11.09.2023. 18 Uhr

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