Sterbehilfe in Grossbritannien Briten fahren zum Sterben immer noch in die Schweiz

In Grossbritannien ist passive Sterbehilfe verboten – jetzt unternimmt das Parlament einen neuen Versuch, die hochemotionale und umstrittene Frage zu regeln.

Skifahren, Schokolade und Sterben. Dafür ist die Schweiz als Reisedestination im Vereinigten Königreich bekannt. Sterbehilfe ist in Grossbritannien bis heute verboten. Deshalb seien in den vergangenen zwanzig Jahren weit über 500 Britinnen und Briten in die Schweiz gereist, um ihr Leben zu beenden, berichtete die BBC dieser Tage.

Die sterbewilligen Briten reisen nach Zürich, wo «die Freitodbegleitung in zweckmässig eingerichteten Räumen durchgeführt werden kann». Das schreibt die Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas in einer Broschüre.

Ein Wahlversprechen Keir Starmers

Dieser Sterbe-Tourismus sei unwürdig, sagte Lee Brown kürzlich auf einem Podium in London. Weil Sterbehilfe in Grossbritannien gesetzlich verboten sei, dränge sie Menschen am Ende ihres Lebens zu einsamen Entscheiden, so Brown, der sich für eine Legalisierung der Sterbehilfe einsetzt.

Wer darf in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch nehmen?

Box aufklappen Box zuklappen
Braune Medikamentenflasche auf Tisch neben Glas.
Legende: Keystone/Alessandro della Bella

Eine Freitodbegleitung darf gemäss Gesetz und Rechtsprechung nur gewährt werden, wenn die betroffene Person:

  • weiss, was sie tut, (Urteilsfähigkeit)
  • nicht aus dem Affekt handelt und die möglichen Alternativen kennt, (Wohlerwogenheit)
  • einen dauerhaften Sterbewunsch hegt, (Konstanz)
  • von Dritten nicht beeinflusst wird, (Autonomie)
  • den Suizid eigenhändig ausführt. (Tatherrschaft)

Beim Verein Exit heisst es auf Anfrage, dass in Artikel 2 der Exit-Statuten stehe, «dass Exit einen assistierten Suizid unterstützt bei zum Tod führenden Erkrankungen, subjektiv unerträglichen Beschwerden oder unzumutbarer Behinderung sowie generell bei Leiden im und am Alter».

«Die Leute sollten weder in einer anonymen Wohnung im Ausland sterben, noch sich einsam und risikoreich hier das Leben nehmen müssen. Gesetze haben den Zweck, Menschen zu schützen», betonte er.

Wer das nötige Geld für eine Reise in die Schweiz nicht hat, muss irgendwie Suizid begehen.
Autor: Kim Leedbeater Unterhaus-Abgeordnete von Labour, Befürworterin der Legalisierung

Labour-Premierminister Keir Starmer hatte vor den Wahlen versprochen, diesen Zustand zu ändern. Zehn Jahre nachdem das britische Parlament die Aufhebung des Sterbehilfe-Verbots deutlich abgelehnt hat, nimmt das Unterhaus jetzt also einen neuen Anlauf, die Sterbehilfe zu legalisieren.

Mehrheit der Briten für Legalisierung der Sterbehilfe

Die Debatte hat die Labour-Abgeordnete Kim Leedbeater initiiert. Wenn man in Grossbritannien unheilbar erkrankt sei, habe man drei Optionen, sagt sie: «Sie können bis zum bitteren Ende leiden und ihre Angehörigen müssen dabei hilflos zuschauen. Sie können, wenn sie dazu noch fähig sind, in die Schweiz zu Dignitas reisen. Und wer das dazu nötige Geld nicht hat, muss irgendwie Suizid begehen.» Das sei unwürdig und traumatisch für alle Beteiligten.

Grossbritannien ist ein liberales Land, aber die Sterbehilfe ist bis heute kontrovers geblieben. Eine Mehrheit der Britinnen und Briten teilt jedoch die Meinung der Labour-Abgeordneten. Aktuelle Umfragen zeigen, dass zwei Drittel der Bevölkerung sich ein tröstlicheres Ende wünschen als Schmerzen, Suizid oder eine Reise in die Schweiz.

Suizidgedanken? Hier finden Sie Hilfe

Box aufklappen Box zuklappen

Erwachsene: Dargebotene Hand/Sorgentelefon

  • Telefon (rund um die Uhr): 143
  • Mail und Chat:  www.143.ch

Kinder und Jugendliche: Pro Juventute

  • Telefon (rund um die Uhr) und SMS: 147
  • Mail und Chat:  www.147.ch

Weitere Informationen

Echo der Zeit, 16.10.2024, 18:00 Uhr;kobt

Meistgelesene Artikel