Trotz Gerichtsurteil Italien hält an umstrittenen Aufnahmelagern in Albanien fest

  • Ein italienisches Gericht hat die Einweisung von Migranten, die im Mittelmeer aufgegriffen wurden und in Albanien in ein Auffangzentrum gebracht werden, für unzulässig erklärt.
  • Vor Kurzem erst war eine erste Gruppe von Migranten in die neuen Auffanglager in Albanien gebracht worden, die dort von Italien betrieben werden.
  • Ein Gericht in Rom urteilte, dass zwölf Männer aus Bangladesch und Ägypten nach Italien geholt werden müssen, damit dort über ihre Asylanträge entschieden werden kann.
  • Wie es mit den Lagern in Albanien jetzt weitergeht, ist nach dem Gerichtsentscheid ungewiss.

Das Gericht begründet das Urteil damit, dass Bangladesch und Ägypten keine sicheren Herkunftsländer seien. Eine Rückführung wäre bei einem negativen Asylentscheid nicht möglich. Das Gericht in Rom orientierte sich an einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die beiden Länder nicht als durchwegs sichere Länder einstuft.

Die Regierung will den Entscheid anfechten. Die Partei von Regierungschefin Giorgia Meloni, Fratelli d'Italia, reagieren empört auf das Urteil und werfen die Justiz vor, auf diese Weise Rückführungen zu verunmöglichen und die «illegale Einwanderung» zu begünstigen.

Die Opposition wiederum kritisiert die Regierung scharf. Sie habe mit den beiden neu aufgebauten Lagern in Albanien gegen rechtliche Auflagen verstossen und viel Steuergeld vergeudet, das Italien zum Beispiel wegen der Engpässe im Gesundheitswesen dringend benötigt hätte.

Kabinett berät am Montag

Italiens Regierung hält auch nach dem Urteil an den Aufnahmezentren in Albanien fest. Ministerpräsidentin Meloni setzte für Montag eine Kabinettssitzung an, um über eine Reaktion zu entscheiden. Während ihres Besuchs in Libanon sagte sie, die Regierung müsse wohl genauer darlegen, was mit sicheren Herkunftsländern gemeint sei. Auch Innenminister Matteo Piantedosi zeigte sich überzeugt, dass das Urteil gekippt wird. Notfalls werde man vor das Oberste Gericht ziehen.

Mit den beiden neuen Auffanglagern in Albanien, auf der anderen Seite der Adria, will Italiens Regierung gegen «irreguläre Migration» vorgehen. Die Männer gehören zu einer ersten Gruppe von 16 Migranten, die auf dem Mittelmeer von der italienischen Marine an Bord genommen und dann nach Albanien gebracht worden waren. Vier junge Männer durften bereits weiter nach Italien, weil sie minderjährig sind oder erhebliche Gesundheitsprobleme haben.

Menschen fotografieren ein Marineschiff im Hafen.
Legende: Die italienischen Behörden schickten ein Schiff mit 16 Asylsuchenden nach Albanien, das eigentlich Platz für etwa 400 Personen geboten hätte. Die Kosten dafür stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen, sagen Kritiker. imago images / Alessandro Serrano (16.10.2024)

In den neuen Auffanglagern in Albanien sollen in Zukunft bis zu 3000 Migranten und Asylbewerber aufgenommen werden.

Experiment wird in der EU genau beobachtet

Italien ist der erste EU-Staat, der Migranten in Lagern ausserhalb der EU (Albanien) unterbringt. Dort werden die Asylanträge von italienischen Beamten im Schnellverfahren geprüft. Wer Anspruch auf Asyl hat, darf weiter nach Italien; wer abgelehnt wird, wird zurückgeschafft.

In den Aufnahmezentren sollen nur erwachsene Männer aus als sicher eingestuften Herkunftsländern aufgenommen werden. Für Kinder, Frauen, Kranke und Folteropfer gilt die Regelung nicht – sie können gleich weiter nach Italien.

Menschen gehen unter italienischer und EU-Flagge.
Legende: Am Mitttwoch (16.10.24) waren die ersten Personen in den neuen Zentren in Albanien, nahe der Ortschaft Shengjin, angekommen. REUTERS / Florion Goga

Das Vorgehen beruhte auf der ersten Vereinbarung, bei der ein EU-Land Migranten in ein Nicht-EU-Land umleitet, um irreguläre Ankünfte zu verhindern. Das italienische Experiment wird von anderen EU-Staaten aufmerksam verfolgt.

SRF 4 News, 18.10.2024, 16:30 Uhr ; 

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