Krieg in der Ukraine Die Lage in der Ukraine – die Übersicht

Die militärische Lage

Eine russische Drohne hat am Freitagabend ein Wohnhaus in der ukrainischen Hauptstadt Kiew getroffen und dabei nach offiziellen Angaben Brände in den oberen Stockwerken ausgelöst. Wie Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko auf Telegram bekannt gab, kam dabei im Stadtteil Solomyanskyi westlich des Stadtzentrums eine Person ums Leben – vier weitere wurden verletzt.

Die ersten in Russland ausgebildeten nordkoreanischen Truppen befinden sich nach Darstellung des ukrainischen Militärgeheimdienstes vom Donnerstag in der Oblast Kursk . Dort seien sie seit Mittwoch im Einsatz. In Russland hielten sich etwa 12'000 nordkoreanische Soldaten auf, darunter 500 Offiziere und drei Generäle. Direkte Stellungnahmen der Regierungen in Moskau und Pjöngjang dazu liegen zunächst nicht vor. Fast zeitgleich jedoch erklärt Russlands Präsident Wladimir Putin beim Treffen der Brics-Staaten, man stehe in Kontakt mit Nordkorea . Es sei Russlands Sache, wie die Partnerschaft zu dem Land umgesetzt werde.

Das nordkoreanische Aussenministerium hat am Freitag erklärt, es werde Berichte über den Einsatz nordkoreanischer Truppen zur Unterstützung Russlands im Krieg in der Ukraine nicht bestätigen. Wenn Nordkorea derartige Schritte unternommen habe, stünden sie im Einklang mit «internationalen Normen» .

Stoltenberg: Nordkoreanische Truppen wären ernsthafte Eskalation

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Der designierte neue Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Jens Stoltenberg, hat sich angesichts der Berichte über nordkoreanische Soldaten in Russland besorgt geäussert. Ein Einsatz nordkoreanischer Kräfte im Ukraine-Krieg wäre «eine ernsthafte Eskalation», so der Ex-Nato-Generalsekretär im Gespräch mit dem «Münchner Merkur» (Freitagsausgabe). «Nordkorea hat bereits enorme Mengen an Munition für Russland bereitgestellt. Wir sehen also, wie eng Russland und Nordkorea miteinander verbunden sind.»

Bei einem russischen Angriff auf die an der Front gelegene Stadt Kupjansk im Nordosten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben vom Donnerstag zwei Menschen getötet worden. Drei weitere Menschen seien verletzt worden, teilt der Gouverneur der Region Charkiw, Oleh Synehubow, mit.

Die russischen Streitkräfte sind nach Darstellung russischer Medien und Militärblogger vom Donnerstag in der Ostukraine zuletzt weiter vorgerückt . «Die Verteidigung des Feindes ist plötzlich zusammengebrochen», erklärte Juri Podoljaka, ein prominenter prorussischer Blogger. Schnelle Geländegewinne würden insbesondere aus der Kohlestadt Selydowe im Donbass gemeldet.

Reuters konnte die Angaben zunächst nicht überprüfen. Der ukrainische Generalstab bestätigte allerdings die derzeit heftigsten russischen Angriffe im Land in der Nähe von Selydowe . Ob die russischen Streitkräfte sich in der Stadt befanden und ob die ukrainischen Verteidiger sich zurückgezogen haben, wurde nicht mitgeteilt.

Britischer Geheimdienst: Russland weitet Drohnenangriffe aus

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Russland weitet nach britischer Einschätzung seine Drohnenangriffe auf die Ukraine aus. Im September habe Moskau mehr als 1300 Kampfdrohnen in die Ukraine geschickt, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. Das sei die höchste Zahl innerhalb eines Monats seit Beginn des Konflikts.

Basierend auf den aktuellen Zahlen werde die Anzahl im Oktober mit ziemlicher Sicherheit übertroffen. «Es ist unklar, ob Russland diese Zahl im restlichen Jahr 2024 halten kann», schrieben die Briten am Mittwoch auf der Internetplattform X .

Mit ziemlicher Sicherheit baue Russland aber seine Kapazitäten aus, um grossangelegte Drohnenangriffe auf die Ukraine zu starten, indem es iranische Lieferungen durch eine stärkere inländische Produktion ergänze.

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski zufolge hat Russland seit Jahresbeginn bereits weit über 6100 Kampfdrohnen gegen Ziele in der Ukraine eingesetzt.

Ein Büro des ukrainischen Roten Kreuzes ist am Donnerstag gemäss Angaben der Hilfsorganisation bei einem russischen Angriff in der Ostukraine zerstört worden. Es habe sich in einem Kulturzentrum in der Stadt Kurachowe in der Region Donezk befunden, so eine Mitteilung. Mitarbeitende und Freiwillige seien keine verletzt worden.

Diplomatie, Verhandlungen und Unterstützung

Die Europäische Union bereitet sich nach Angaben aus diplomatischen Kreisen vom Freitag auf eine Verschärfung der Sanktionspolitik gegen Russland vor. Dabei geht es vor allem darum, dass bestehende Sanktionen nicht mehr alle sechs Monate von den Mitgliedstaaten einstimmig verlängert werden müssen , wie die Nachrichtenagentur Reuters aus den Kreisen erfuhr.

Dies betreffe etwa das Einfrieren von Vermögenswerten der russischen Zentralbank , mit deren Erlösen die Ukraine in ihrem Abwehrkampf des Angriffskriegs unterstützt werden soll. Befürchtet wird in Brüssel demnach, dass ein möglicher neuer US-Präsident Trump in der Sanktionspolitik einen sanfteren Kurs gegenüber Russland fahren könnte.

Beratungen über ein 15. Sanktionspaket laufen daher derzeit eher schleppend. Erwogen wird dabei, mindestens 45 Schiffe für den Öltransport zur EU-Sanktionsliste hinzuzufügen . Die Frist zur Verlängerung der Sanktionen auf russische Vermögenswerte könnte demnach auf 36 Monate ausgeweitet werden.

Strafgerichtshof: Mongolei hat Putin-Haftbefehl missachtet

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Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) wirft der Mongolei vor , den russischen Präsidenten Wladimir Putin während seines Besuchs Anfang September trotz internationalen Haftbefehls nicht festgenommen zu haben . Die Mongolei sei der Aufforderung des Gerichtshofs zur Festnahme des Kremlchefs nicht nachgekommen, kritisierte die Behörde im niederländischen Den Haag.

Wegen des schweren Falls mangelnder Zusammenarbeit der Mongolei mit dem Gerichtshof habe die Kammer die Angelegenheit an die Versammlung der Mitgliedsstaaten gegeben. Die Mongolei erkennt den IStGH an. Dieser erliess im März 2023 einen internationalen Haftbefehl gegen Putin, weil er nach Ansicht des Gerichts im Angriffskrieg gegen die Ukraine für die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland verantwortlich ist.

Der Tech-Milliardär und Trump-Unterstützer Elon Musk hat einem Zeitungsbericht zufolge seit Ende 2022 regelmässig Kontakt zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gehabt. Das «Wall Street Journal» beruft sich dabei auf mehrere derzeitige und frühere Regierungsbeamte aus den USA, Europa und Russland. Bei den Unterhaltungen zwischen Musk und Putin sei es um geopolitische, geschäftliche und persönliche Themen gegangen.

Vor zwei Jahren hatte Musk einen Bericht über angeblichen Kontakt zu Putin noch ausdrücklich bestritten. Kontakte habe es aber tatsächlich gegeben und sie hätten bis in dieses Jahr hinein angedauert, schrieb das «Wall Street Journal» unter Berufung auf einen aktuellen und einen früheren Geheimdienstmitarbeiter.

Russland-Reise des UNO-Generalsekretärs sorgt für Kritik

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UNO-Generalsekretär António Guterres hat am Donnerstag bei einem Besuch in Russland wegen eines Händedrucks mit Kremlchef Wladimir Putin und einer herzlichen Umarmung mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko scharfe Kritik auf sich gezogen . «Es ist das dritte Jahr des Kriegs, und der UNO-Generalsekretär hat einem Mörder die Hand geschüttelt», schrieb Putin-Gegnerin Julia Nawalnaja im Kurznachrichtendienst X. Sie macht Putin nicht nur für den Tod ihres Mannes Alexej Nawalny in einem russischen Straflager verantwortlich, sondern auch für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem Wunsch der Ukraine nach einer raschen Einladung in das Militärbündnis Nato erneut eine deutliche Absage erteilt. «Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, sich klarzumachen, dass ein Land, das im Krieg ist, gar nicht Nato-Mitglied werden kann», sagte Scholz in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner».  Die Einladung sei bei der Nato schnell mit der Mitgliedschaft verbunden.

Eine feste Nato-Perspektive ist für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski Voraussetzung für seinen sogenannten Siegesplan. Er erwartet nach den US-Wahlen Anfang November Fortschritte hin zu einer Einladung in das Militärbündnis. Bereits jetzt würden Frankreich, Grossbritannien und Italien dem Kiewer Begehren stattgeben, sagte er kürzlich. «Wir müssen alle viel mit der deutschen Seite arbeiten», so Selenski. Doch würden die USA den Ausschlag geben.

Geflüchtete und Kriegsopfer

Die Zahl der zwischen Juni und August in der Ukraine getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im Vergleich zu den drei Monaten davor um fast die Hälfte angestiegen. Von Juni bis Ende August konnte die UNO-Menschenrechtsmission in der Ukraine den Tod von mehr als 580 Zivilisten und fast 2700 Verletzten verifizieren. Die meisten von ihnen befanden sich in von der Ukraine kontrollierten Gebieten.

Im Ukraine-Krieg sind nach Recherchen der US-Zeitung «Wall Street Journal» auf beiden Seiten Hunderttausende Soldaten verletzt oder getötet worden. Die ukrainischen Truppen hätten etwa 80'000 tote und 400'000 verwundete Soldaten zu beklagen. Das berichtete die Zeitung am 17. September unter Berufung auf eine vertrauliche ukrainische Schätzung. Russland wiederum habe nach Schätzung westlicher Geheimdienste sogar 600'000 Soldaten – 200'000 Tote und 400'000 Verletzte – verloren, schrieb die US-Zeitung weiter.

Glückskette ruft zu Spenden für die Ukraine auf

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Legende:

Angesichts der humanitären Krise in der Ukraine sammelt die Glückskette Spenden für die betroffene ukrainische Bevölkerung. Millionen Menschen – vor allem Kinder, Frauen und ältere Menschen – sind bereits geflohen und suchen Zuflucht in den Nachbarländern oder in Gebieten im Landesinnern, die von Kämpfen verschont geblieben sind. Die Glückskette unterstützt geflüchtete Menschen über ihre Partnerorganisationen innerhalb der Ukraine, den Nachbarländern Polen, Rumänien, Moldawien und Ungarn sowie in der Schweiz.

Spenden können unter www.glueckskette.ch oder auf das Postkonto 10-15000-6, Vermerk «Krise in der Ukraine», getätigt werden.

Die Angaben der Zeitung decken sich mit Schätzungen des britischen Verteidigungsministeriums zu Moskaus Verlusten im Krieg. Demnach sind seit Kriegsbeginn 610'000 russische Soldaten gestorben oder so schwer verwundet worden, dass sie nicht mehr einsatzfähig sind. Offiziell gibt es weder aus Kiew noch aus Moskau Angaben zu den eigenen Verlusten.

Präsident Selenski hat Ende Februar 2024 die Zahl der getöteten Soldaten seiner Streitkräfte mit 31'000 angegeben. Diese Zahl ist die erste offizielle Nennung von Opferzahlen des Militärs im seit über zwei Jahren andauernden Krieg gegen die russische Invasion. Laut den ukrainischen Streitkräften hat Russland ungefähr 684'280 Soldaten verloren (Stand 24.10.2024), was verletzte sowie getötete Soldaten beinhalten soll. Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich nicht unmittelbar überprüfen.

Seit Russlands Einmarsch am 24. Februar 2022 hat die UNO in der Ukraine mindestens 11'973 getötete Zivilistinnen und Zivilisten registriert – darunter über 600 Kinder. Weitere 25'943 Zivilisten seien seit Beginn der russischen Invasion verletzt worden ( Stand 11. Oktober 2024 ). Die UNO zählt nur Fälle, die sie bestätigen konnte.

6'154'000 Menschen  haben seit Kriegsbeginn die Ukraine verlassen und Schutz in europäischen Ländern gesucht, weltweit sind es 6'725'300 Geflüchtete . Das teilte das Flüchtlingshilfswerk der UNO (UNHCR) mit (Stand: 24. September 2024). Die Zahl der Binnenflüchtlinge  wird auf vier Millionen beziffert.

66'488 Personen , die wegen des Kriegs gegen die Ukraine in die Schweiz geflüchtet sind, haben einen Schutzstatus S . Das teilte das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf X mit (Stand 24.10.2024).

Wie prüft SRF die Quellen in der Kriegsberichterstattung?

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Die Informationen zum Ukraine-Krieg sind zahlreich und zum Teil widersprüchlich. Die verlässlichsten Quellen sind eigene Journalistinnen und Reporter anderer Medien vor Ort, denen man vertrauen kann. Weitere wichtige Quellen sind Augenzeugen – also Menschen vor Ort, die Eindrücke vermitteln können.

Besonders zu hinterfragen sind Informationen von Kriegsparteien. Denn alle Kriegsparteien machen Propaganda – in diesem Angriffskrieg vor allem die russischen, offiziellen Quellen. Die Aussagen der Kriegsparteien ordnen wir entsprechend ein. Grundsätzlich gilt bei SRF: Je schwieriger und unzuverlässiger die Quellenlage, desto wichtiger ist Transparenz. Umstrittene Fakten und Informationen, die nicht unabhängig überprüfbar sind, werden als solche kenntlich gemacht.

Krieg in der Ukraine

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Tagesschau, 21.10.2024, 19:30 Uhr ; 

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