UNO-Welternährungsbericht Beim Kampf gegen Hunger ist die Welt nicht auf Kurs

«Zero Hunger»: So lautet eines der zentralen Uno-Nachhaltigkeitsziele. Es ist auch das symbolträchtigste im Zielkatalog. Doch der Welternährungsbericht sorgt für Ernüchterung. Denn eigentlich ist es ein Welthungerbericht – mit der Erkenntnis: Das «Null-Hunger-Ziel» ist bis 2030 fast unerreichbar.

Bis vor wenigen Jahren sah es gar nicht so schlecht aus. Trotz rapidem Bevölkerungswachstum litten von Jahr zu Jahr weniger Menschen Hunger. Das damalige Uno-Millenniumsziel, nämlich bis 2015 den Anteil der Unterernährten zu halbieren, wurde weitgehend erreicht.

Neuerdings verschlechtert sich indes die Lage. «Wir sind weitab vom Kurs beim Uno-Nachhaltigkeitsziel ‹Null Hunger›, räumt der Chefökonom der Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO, Maximo Torero, ein.

Verschlechterung seit der Pandemie

Gemäss neuesten Uno-Zahlen schnellte die Zahl der Hungerleidenden besonders aufgrund der Covid-Pandemie und der dadurch blockierten Handelswege nach oben – und verharrt seither hartnäckig auf diesem hohen Niveau.

Konkret: Rund 730 Millionen Menschen weltweit leiden an Hunger, also jede und jeder Elfte. Dazu sind 2.3 Milliarden betroffen von dem, was die Uno «Ernährungsunsicherheit» nennt, bekommen also zumindest punktuell zu wenig zu essen. «Dass Fortschritte möglich sind, zeigt sich in weiten Teilen Asiens und in Lateinamerika, wo der Hunger abnahm. Doch in der Karibik, im Nahen Osten – und zwar schon vor dem Gaza-Krieg – und vor allem in Afrika, wo zwanzig Prozent der Bevölkerung hungern, läuft es ausgesprochen schlecht», so der FAO-Chefbeamte

Gründe? Krieg, Klimawandel, Wirtschaftskrisen

Drei Hauptgründe dafür nennt er: kriegerische Konflikte, Klimawandel und Wirtschaftskrisen. Besserung ist nicht in Sicht: Die geopolitischen Spannungen lassen eher mehr als weniger gewalttätige Auseinandersetzungen erwarten. Und in vielen Ländern wird das Klimaproblem auf der Prioritätenliste nach hinten durchgereicht.

Menschenmenge hält Teller und Schüsseln hoch, um Essen zu bekommen.
Legende: Krieg gilt als einer der Gründe, warum der Hunger weltweit auf hohem Niveau verharrt. Palästinensische Kinder versammeln sich im nördlichen Gazastreifen, um von einer Wohltätigkeitsküche gekochtes Essen zu erhalten. Mahmoud Issa/Reuters

Dazu kommt, wie Saskia de Pee vom Uno-Welternährungsprogramm betont, dass seit einigen Jahren viel zu wenig Geld für die humanitäre Notversorgung mit Lebensmitteln zur Verfügung steht. Das verschärft das Hungerproblem in Konfliktgebieten zusätzlich.

Gleichzeitig blendet die Uno eine vierte Ursache für das Hungerproblem mancherorts rundweg aus: das demografische Wachstum.

Beispiel für das Bevölkerungswachstum in Sahelstaaten

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In den von Dürren geplagten Sahelstaaten ist das Bevölkerungswachstum weiterhin enorm: Mali zählte 1950 keine fünf Millionen Einwohner.

Heute sind es 23 Millionen, bis 2050 dürften es 47 Millionen sein. Ganz ähnlich die Zahlen für Niger.

Doch Bevölkerungspolitik ist für die Vereinten Nationen ein Minenfeld. Viele Uno-Mitgliedstaaten lehnen, teils aus religiösen, teils aus ideologischen oder machtpolitischen Gründen, Massnahmen zur Geburtenkontrolle entschieden ab.

Dennoch wollen die Uno-Verantwortlichen nicht nur Pessimismus verbreiten – weshalb die FAO erklärt, das Null-Hunger-Ziel sei nicht völlig unerreichbar, falls man nun entschieden handle. Gleichzeitig räumt Uno-Generalsekretär António Guterres ein: «Wir müssen die Fakten akzeptieren. Und die zeigen, dass viele Versprechungen nicht umgesetzt wurden.»

Finanzieller Druck

Zumal auch wohlhabende Staaten finanziell unter Druck stehen: hoher Schuldenstand, zusätzliche Milliarden für die Verteidigung, soziale Spannungen. Darunter leiden nicht zuletzt die Etats für humanitäre Hilfe.

Wenn die Uno also nun eine neue Finanzierungsarchitektur für Ernährungssicherheit fordert, ist das nachvollziehbar. Doch obschon das Hungerproblem bekannt und akut ist, bleiben solche Forderungen seit Jahren unerfüllt – weil die Umsetzung entweder äusserst komplex ist oder der politische Wille fehlt. Oder beides.

SRF 4 News, 24.7.2024, 16 Uhr;kobt

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