US-Präsidentschaftswahl «Schweiz sollte mit beiden Wahlkampfteams Kontakte aufbauen»

Nach dem Rückzug von Joe Biden gibt es eine neue Dynamik im US-amerikanischen Wahlkampf. Zuletzt hat der Republikaner Donald Trump die Nase vorn gehabt, nun dürften die Demokraten wieder Morgenluft wittern. Wegen der grossen politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der USA verfolgt man das Geschehen auch in der Schweiz aufmerksam. Martin Dahinden, Dozent für Aussenpolitik an der Universität Zürich und früherer Schweizer Botschafter in Washington, beantwortet die drängendsten Fragen aus Schweizer Sicht.

Martin Dahinden

Dozent für Aussenpolitik, Universität Zürich

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Martin Dahinden ist 69 Jahre alt und war von 2014 bis 2019 Schweizer Botschafter in Washington.

SRF News: Wäre es für die Schweiz besser, wenn im Weissen Haus weiterhin die Demokraten regieren würden?

Martin Dahinden: Nehmen wir einmal an, dass Kamala Harris die offizielle Kandidatin wird und gewählt würde. Da müsste man sagen, es würde sich um jemanden handeln, der keine grossen Erfahrungen hat im Bereich Aussenpolitik. Kaum ein Profil hat im Bereich Wirtschaft, also in den Bereichen, welche die Schweiz besonders betreffen. Dann würde sehr vieles davon abhängen, welche Personen ernannt würden, aber auch wie der Kongress zusammengesetzt wird, ob die Demokraten dort ebenfalls eine Mehrheit haben.

Die Schweiz hatte immer schwierige Zeiten mit demokratischen Administrationen.

Längerfristig muss man sagen, hatte die Schweiz eigentlich immer schwierige Zeiten mit demokratischen Administrationen. Das war nach dem Krieg so: Truman-Administration, Nachrichtenlose Vermögen, Clinton-Administration oder dann auch zu meiner Zeit in den USA die Auseinandersetzungen mit der Obama-Biden-Administration über das Bankgeheimnis und die Steuerfragen.

Was wäre aussenpolitisch zu erwarten von einer Trump-Regierung?

Also einerseits, dass es einen starken Fokus auf China gibt. Die Kritik der Republikaner und mit ihnen von Donald Trump besteht ja genau darin, dass sie sagen, mit der Ukrainepolitik der Biden-Administration sei Russland ins Lager von China gedrängt worden, und China sei der eigentliche Profiteur dieser Politik gewesen.

Entscheidend ist in den nächsten Monaten, mit beiden Wahlkampfteams Beziehungen aufzubauen.

Das zweite ist die Nahostpolitik. Da habe ich die Befürchtung, dass die Trump-Administration dort ansetzen könnte, wo sie gewissermassen aufgehört hat. Nämlich mit Versuchen, zwischen arabischen Staaten und Israel einen Frieden herbeizuführen zulasten der Palästinenser. Und wenn diese Bedenken und diese Probleme nicht in einer Lösung vorkommen, dann wird es schwierig sein, längerfristig den Nahen Osten zu befrieden.

Wie wichtig ist es jetzt, dass sich die Schweizer Politik auf einen solchen Fall vorbereitet, also auf eine mögliche Präsidentschaft von Donald Trump?

Das ist sehr wichtig. Übrigens auch für den Fall, dass Kamala Harris oder ein Demokrat ins Weisse Haus einzieht. Die Frage ist, wie. Ich glaube, entscheidend ist in den nächsten Monaten, mit beiden Wahlkampfteams Beziehungen und Kontakte aufzubauen. Damit bei Beginn der Administration ein solides Kontaktnetz besteht. Dass man also, bevor Entscheidungen gefällt werden, informiert ist und seine eigenen Standpunkte vorbringen kann.

Es gibt aber natürlich auch andere Netzwerke. Ich denke hier an die Swiss American Chamber of Commerce, die ein gutes Kontaktnetz hat, auch politisch, aber auch mit Wirtschaftskreisen. Oder dann an das Staatssekretariat für Wirtschaft mit seinen Kontakten. Diese Vorbereitung läuft. Da wartet man also nicht, bis irgendetwas passiert.

Das Gespräch führte Elmar Plozza.

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