Weitere Waffenlieferungen Die Militärhilfe für die Ukraine reicht womöglich nicht

325 Millionen Dollar zusätzliche Militärhilfe aus den USA, Munition für das Himars-Raketensystem, Patriot-Raketen, Antipanzerminen.

Dazu Mig-29 Kampfjets aus Polen und der Slowakei, Leopard-Kampfpanzer von Dänemark und den Niederlanden, weitere zugesagte Waffenlieferungen aus Kanada, Norwegen, Frankreich oder Italien.

All das klingt recht beeindruckend. Doch es ändert nichts daran: Die Ukraine hat sich vom Treffen in Ramstein der rund fünfzig Unterstützerstaaten erheblich mehr erhofft.

Erschwernisse: Ausbildung und Logistik

Und: Zwischen politischen Zusagen und dem Einsatz von Waffen an der Front vergeht Zeit. Bei modernen Waffensystemen sind es oft Monate. Es braucht Investitionen in die Ausbildung.

Die zunehmend in der Ukraine eingesetzten westlichen Waffen unterscheiden sich deutlich vom bisher vertrauten Kriegsgerät aus sowjetischen Zeiten. Ein weiterer Knackpunkt ist die Logistik: Wartung, Reparaturen, Ersatzteile.

Wie die Lecks aus dem US-Geheimdienstapparat aufzeigen, fehlt es der Ukraine noch an vielem und an Entscheidendem: An Flieger-, Drohnen- und Raketenabwehrwaffen, an Kampfpanzern und allgemein an gepanzerten Fahrzeugen, an Kampfflugzeugen und in allererster Linie an Munition.

Frühjahrsoffensive in der Schwebe

In Kürze soll die Frühjahrs-Gegenoffensive der Ukraine beginnen. Dafür bräuchten ihre Streitkräfte all das und noch viel mehr – möglichst sofort. Derzeit ist keineswegs sicher, dass eine ukrainische Offensive erfolgversprechend wäre.

Russland hat sich darauf vorbereitet und mehrere Verteidigungsringe errichtet. Kiews Minimalziel dürfte sein, einen Keil in die Landbrücke am Schwarzen Meer zu treiben, die Russland zwischen dem eigenen Territorium und der Halbinsel Krim erobert hat.

Falls jedoch die Gegenoffensive scheitert, ist das Risiko gross, dass der Krieg nun erst recht zu einem langen Abnützungskampf wird – mit Vorteil für Russland. Es hat letztlich deutlich mehr Ressourcen – Personal, Waffen und Geld – und damit den längeren Atem.

Erst recht, weil niemand weiss, wie lange die westliche Unterstützung der Ukraine auf hohem Niveau anhält und ob nach den nächsten US-Wahlen wiederum ein Präsident amtiert, der entschieden hinter der Ukraine steht.

Keine totale Destabilisierung Russlands

Dazu kommt: Viele Nato-Staaten, gerade auch die USA, wollen zwar, dass sich die Ukrainer gegen die Russen behaupten können. Sie wollen aber nicht, dass sie Moskau eine krachende Niederlage bescheren.

Weder die Vereinigten Staaten noch die EU haben ein Interesse an einer totalen Destabilisierung und an politischem Chaos in Russland. Die Situation würde dann völlig unberechenbar. Und ein um das Überleben seines Regimes kämpfender Wladimir Putin könnte am Ende tatsächlich Atomwaffen einsetzen.

Wenn die Ukraine nicht das erhält, was sie an militärischer Hilfe fordert, so liegt das zwar auch daran, dass man militärisch nicht alle Wünsche erfüllen kann. Es gibt im Westen tatsächlich Lieferengpässe und leere Arsenale in manchen Bereichen.

Es liegt vor allem aber auch daran, dass man aus politischen Gründen nicht alle Begehren erfüllen will. 

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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Echo der Zeit, 21.4.2023, 18:00 Uhr

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