Näher zur Natur Die neue Lust am Campen

Ferien im Zelt oder mit dem Wohnmobil erleben in den letzten Jahren ein Revival. Nach einer Baisse verzeichnen Schweizer Campingplätze wieder viel mehr Logiernächte. Und die Zahl der Wohnmobile nimmt stetig zu. Experten vermuten dahinter auch das Bedürfnis nach Nähe zur Natur.

Sie galten bei vielen als spiessig: Ferien auf dem Campingplatz, Reisen mit dem eigenen Zelt im Gepäck oder mit dem Wohnmobil. Doch nach jahrelangem Krebsgang steigen die Logiernächte auf Schweizer Campingplätzen seit 2015 wieder deutlich an. Mittlerweile sind es über 3.5 Millionen Übernachtungen pro Jahr.

Abenteuer mit begrenztem Risiko

«Die Campingplätze bedienen heute viele verschiedene Ferienwünsche», sagt André Lüthi, Verwaltungsratspräsident des Reiseveranstalters Globetrotter Group, zum Aufwärtstrend. Von der einfachen Parzelle fürs leichte Zelt übers Holzhäuschen zum Mieten bis hin zum Safari-Zelt mit Luxuseinrichtung und Doppelbett ist alles im Angebot.

Lüthi selbst hat unter anderem im Himalayagebiet dutzende Trekkings geführt und unterwegs im Zelt übernachtet. Der Camping-Boom in der Schweiz zeuge vom Wunsch nach ein bisschen Abenteuer mit begrenztem Risiko. «Die Leute haben langsam die Nase voll von überfüllten Stränden, von Liegestuhlreihen und vollen Flughäfen. Und vielleicht pushen auch die Kinder ihre Eltern zu Ferien draussen in der Natur, wo man etwas erleben kann. Ich finde das total schön.»

Erholung von der Baisse

Damit hat die Branche die jahrelange Talfahrt überwunden. Die Weltfinanzkrise 2008 schlug sich mit etwas Verzögerung auch auf die Logierzahlen auf den Schweizer Campingplätzen nieder.

«Aufgrund der wirtschaftlich unsicheren Situation haben wohl auch in der Schweiz manche vorübergehend ganz auf Ferien verzichtet», vermutet Lüthi, und nennt einen weiteren Grund, weshalb Ferien auf dem Campingplatz unter Druck geraten waren: «Bis zu den 90er-Jahren hatten nur wenige Geld für Ferien mit dem Flugzeug. Sie fuhren stattdessen auf einen Campingplatz in der näheren oder weiteren Umgebung, um etwas Freiheit und Abenteuer mit der Familie zu geniessen. Dann wurde das Fliegen immer günstiger – für 300 Franken kam man etwa nach Mallorca. Da sagten sich viele, jetzt fliegen wir weg, zumal Campieren im Tessin inzwischen fast teurer war.»

Verkaufsrenner Wohnmobile

Trotz zwischenzeitlicher Krise der Campingbranche sind auf Schweizer Strassen schon seit Jahren immer mehr Wohnmobile unterwegs. Die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge hat sich seit 1990 mehr als verdreifacht und steigt weiter an.

Christoph Hostettler, Präsident von Caravaningsuisse, dem Schweizerischen Caravan-Gewerbeverband, hat eine Erklärung: «Die Leute sind in den letzten drei Jahrzehnten weltgewandter und offener geworden.» Dazu komme, dass eine Hotelübernachtung nicht mehr denselben Stellenwert habe wie früher: «Die Leute wollen mehr Freiheit und einmal hier und einmal da übernachten.»

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