4. Corona-Umfrage der SRG Die Angst vor dem Coronavirus verfliegt

  • Hygienemasken haben einen schweren Stand in der Schweiz: Nur 30 Prozent der Befragten befürworten eine generelle Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr.
  • Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Online-Umfrage der Forschungsstelle Sotomo, die im Auftrag der SRG durchgeführt wurde.
  • Auch die Bereitschaft, die Tracing-App zu installieren, schwindet. Nur noch 54 Prozent sind dazu bereit. Damit die App wirksam ist, müssten sie zwei Drittel der Bevölkerung installieren.

Die Menschen stehen im Bus wieder enger zusammen, Restaurants und Flussufer sind gut bevölkert und bei Demonstrationen vergessen die Teilnehmenden schon mal, den empfohlenen Mindestabstand einzuhalten.

Wer sich in der Schweiz umschaut, hat den Eindruck, dass das Leben das Coronavirus langsam, aber sicher zurückdrängt – zumindest in den Köpfen der Bevölkerung.

So lassen sich auch die Ergebnisse der vierten nationalen Umfrage zur Coronakrise interpretieren, die die Forschungsstelle Sotomo im Auftrag der SRG am Wochenende vom 6./7. Juni durchgeführt hat. «Die Stimmung in der Bevölkerung ist zum ersten Mal deutlich besser. Es herrscht eine gewisse Aufbruchstimmung», sagt Studienleiter Michael Hermann.

Dabei denken die Befragten immer weniger an eine Erkrankung. In der ersten Umfrage im März war die mögliche Erkrankung an Covid-19 die grösste Sorge von 51 Prozent der Befragten. Mittlerweile sagen das nur noch 31 Prozent – nochmals drei Prozentpunkte weniger als im Mai.

Dass Hygienemasken zum Schutz vor einer Ansteckung in der Schweiz immer unbeliebter werden, passt dazu. Beim Einkaufen befürworteten gesamtschweizerisch im Mai noch 43 Prozent eine Maskenpflicht. Im Juni sind es noch 35 Prozent.

Die Zustimmung hat in allen Landesteilen abgenommen, ist aber in der italienischen Schweiz (57 Prozent) deutlich höher als in der Romandie (37 Prozent) und in der Deutschschweiz (35 Prozent).

Erstmals gefragt wurde, ob eine Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr befürwortet wird. Eine Mehrheit gibt es nicht dafür. 30 Prozent befürworten eine generelle Pflicht, weitere 20 Prozent finden, eine punktuelle Pflicht, etwa während Stosszeiten, wäre sinnvoll.

Das habe erstens mit der Erfahrung zu tun, sagt Michael Hermann: «Nur wenige tragen eine Maske, trotzdem ist es noch nicht zu einer zweiten Welle gekommen. Und wenn es ohne Maske geht, dann wollen die Leute auch keine tragen.»

Zweitens sei es eine Frage der sozialen Normen – nur wenn viele Leute Maske tragen, werde das auch «normal» und weiterhin praktiziert.

Auch die viel diskutierte Tracing-App «SwissCovid», die Begegnungen mit anderen registriert, verliert an Rückhalt. Die Bereitschaft dazu, diese App freiwillig zu installieren, liegt noch bei 54 Prozent – vor einem Monat waren es 60, vor zwei Monaten 65 Prozent.

Zum Rückgang beigetragen haben dürften laut Hermann die sinkende wahrgenommene Dringlichkeit sowie die Debatte über Überwachung. Das könnte sich ändern, wenn die Fallzahlen wieder zunehmen.

Allerdings geht nur noch ein Viertel der Befragten von steigenden Fallzahlen in den nächsten Wochen aus. Vor einem Monat waren es noch 50 Prozent.

Mit den Lockerungen sind die Befragten weitgehend zufrieden. 45 Prozent finden Geschwindigkeit und Ausmass der Lockerungen genau richtig. Diejenigen, denen es zu schnell geht (27 Prozent) und diejenigen, denen es zu langsam geht (28 Prozent) halten sich dabei die Waage.

Es gibt jedoch unterschiedliche Wahrnehmungen über das Tempo der Lockerungen: Besonders die Öffnung von Bars und Clubs geht 31 Prozent der Befragten zu schnell. Bei Demonstrationen geht es 30 Prozent zu schnell. Zu langsam passiert die Öffnung für 24 Prozent bei den Läden. 28 Prozent finden, man könnte bei Schulen und Restaurants schneller vorgehen.

Von den möglichen Folgen der Pandemie fürchten die Befragten am stärksten eine Wirtschaftskrise. Am wenigsten befürchten sie einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Kontrovers beurteilt wird die Frage, ob die Pandemie zu einem Verlust der persönlichen Freiheit führt. Für 21 Prozent der Befragten ist das die grösste, für 26 Prozent die geringste Befürchtung.

Datenerhebung und Stichprobenfehler der Umfrage

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Die Umfrage wurde im Auftrag der SRG SSR von der Forschungsstelle Sotomo durchgeführt und ausgewertet. Die Datenerhebung fand zwischen dem 5. und 8. Juni 2020 online statt. Die Rekrutierung der Befragten fand einerseits über die Webportale der SRG SSR in allen Landesteilen, andererseits via Online-Panel von Sotomo statt. Die Grundgesamtheit der Befragung bildet die sprachlich integrierte Wohnbevölkerung der Schweiz ab 15 Jahren.

Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 31‘011 Personen für die Auswertung verwendet werden. (Deutschschweiz: 24‘197, Romandie: 5827, italienische Schweiz: 987).

Da sich die Teilnehmenden der Umfrage selber rekrutieren (sogenanntes Opt-in), ist die Zusammensetzung der Stichprobe nicht repräsentativ. So nehmen typischerweise mehr Männer als Frauen an Online-Umfragen teil.

Deshalb hat Sotomo die Antworten gewichtet: Den Verzerrungen in der Stichprobe wird mittels statistischer Gewichtungsverfahren entgegengewirkt.

Neben räumlichen (Wohnort) und soziodemographischen (Alter, Geschlecht, Bildung) Gewichtungskriterien werden dabei auch politische Gewichtungskriterien beigezogen (Parteipräferenz). Durch die Gewichtung wird eine hohe Repräsentativität für die aktive Stimmbevölkerung erzielt.

Der Stichprobenfehler, wie er für Zufallsstichproben berechnet wird, lässt sich nicht direkt auf politisch gewichtete Opt-in-Umfragen übertragen. Die Repräsentativität dieser Befragung ist laut Sotomo jedoch vergleichbar einer Zufallsstichprobe mit einem Strichprobenfehler von +/-1.1 Prozentpunkten. Bei einem Befragungsergebnis von 50 Prozent liegt der effektive Wert mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 48.9 und 51.1 Prozent.

SRF 4 News, 12.06.2020, 17:00 Uhr

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