Coronarisiko in Schulen Höchste Lehrerin fordert Lüftungsgeräte für Klassenzimmer

Im Winter wird ausreichendes Lüften schwierig. Lehrkräfte fordern wirksame Luftreiniger, doch die Behörden hören weg.

Die Temperaturen fallen, und das stellt viele Schulen vor ein Problem: Zum Coronavirus-Schutzkonzept gehört, dass die Klassenzimmer regelmässig gelüftet werden. Doch kaum sind die Fenster offen, frieren die Schüler.

Auch Christian Hugi, Primarlehrer und Präsident des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, kämpft täglich mit dicker Luft und schlotternden Kindern. Wegen regelmässiger Doppellektionen dauert es lange bis er richtig durchlüften kann.

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Lehrpersonen sind verunsichert, wie sie mit den tiefen Temperaturen und dem Coronarisiko umgehen sollen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage an Zürcher Schulen. Christian Hugi: «Wir sind auf uns allein gestellt, versuchen unser bestes. Ob das gelingt, wissen wir nicht. Es gibt keine Messungen.»

Baugewerbliche Berufsschule Zürich sorgt mit Lüftungsanlage vor

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Berufskundelehrer Peter Amacher weiss über die Luftqualität in seinem Schulzimmer jederzeit Bescheid, dank einer CO2-Anzeige: «Steigt der Wert über 1000ppm, haben wir Bedarf zum Lüften. Da die Temperaturen schnell sinken, fühlen sich aber die Schüler nicht mehr wohl.»

Die Schule hat das Problem mit einer Lüftungsanlage gelöst. «Wir beziehen von aussen Frischluft und schicken die Abluft wieder raus, mit einer Wärmerückgewinnung. So stimmt der CO2-Wert und niemand friert.»

Die dezentrale Lüftungsanlage kostete knapp 20'000 Franken. Bewilligt wurde sie nur als Einzelprojekt in einem Schulzimmer.

Studien bestätigen dicke Luft in Schulzimmern

Benoît Sicre, der an der Hochschule Luzern zum Thema Raumluft forscht, hat Verständnis für die Bedenken der Lehrkräfte: «Die Sorgen sind berechtigt. Je mehr Personen in einem Raum sind, desto mehr Partikel schweben in der Luft und somit auch Krankheitserreger. Frieren die Kinder, wird weniger gelüftet, der Luftwechsel ist zu gering.»

Viele Schulzimmer haben ein generelles Lüftungsproblem. Das bestätigt eine letztjährige Studie des Bundesamtes für Gesundheit. In hundert Schulzimmern wurde der CO2-Wert gemessen. Fazit: In zwei Dritteln war die Luftqualität schlecht. In einem Drittel davon liess sich die Qualität trotz verstärktem Lüften nicht verbessern. Gründe dafür sind zu kleine und geschlossene Fenster oder zu viele Kinder in zu kleinen Räumen.

Luftreinigungsgeräte zerstören Coronaviren

Helfen könnten eine CO2-Anzeige im Klassenzimmer, die ständig über die Luftqualität informiert und mobile Luftreinigungsgeräte mit Hepa-Filter für rund 3500 Franken. Die Reiniger können zwar den CO2-Gehalt nicht senken, aber die Luft reinigen – auch von Coronaviren. Das belegen wissenschaftliche Studien wie jene von Christian Kähler, Strömungsmechaniker an der Universität der Bundeswehr München: «Diese Geräte können vor der indirekten Infektion schützen, weil sie die Aerosolpartikel abschalten können.»

Solche Luftreiniger verlangt jetzt auch der Lehrer-Dachverband. Dagmar Rösler: «Für Schulzimmer mit schlechten Lüftungsmöglichkeiten fordern wir als kurzfristige Lösung mobile Luftreinigungsgeräte.» Neben dieser schnellen Lösung kämpft der Verband schon länger für Luftmessgeräte und gute Lüftungssysteme.

Kantone und Erziehungsdirektoren sehen keinen Bedarf

Damit stossen sie auf taube Ohren. Das stellt auch «Kassensturz» fest. Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) schreibt auf Anfrage: «Die EDK hat keine Kenntnis über die Anzahl problematischer Schulzimmer und gibt auch keine Empfehlungen ab zur Anschaffung mobiler Raumluftreiniger.»

Auch die fünf Kantone, die «Kassensturz» angefragt hat, verweisen an die Verantwortung der einzelnen Schulgemeinden und Schulleitungen und bauen auf die bisherigen Schutzkonzepte. Vereinzelt sind für Lehrpersonen CO2-Messgeräte als Leihgabe erhältlich.

Diese Haltung ist für den Präsidenten des Zürcher Lehrerverbandes inakzeptabel. Von den Kantonen erwartet Christian Hugi mehr Verantwortung: «Alle sind daran interessiert, dass die Schulen offenbleiben. Dabei ist das Lüften ein zentraler Punkt. Wir wären wirklich froh, der Kanton würde sich etwas mehr in die aktive Rolle begeben.»

Die wichtigsten Informationen zum Coronavirus:

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Kassensturz, 17.11.2020, 21:05 Uhr

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