Gleichstellung im Erwerbsleben Bundesrat will gleiche Arbeitsrechte für Behinderte

  • Menschen mit Behinderungen sollen im Arbeitsleben besser vor Diskriminierungen geschützt werden sowie erleichterten Zugang zu Dienstleistungen haben.
  • Der Bundesrat will Arbeitgebende und Private in die Pflicht nehmen, um dort eine Gleichstellung zu erreichen.
  • Weiter will die Regierung das selbstbestimmte Wohnen von Menschen mit Behinderung fördern und die Gebärdensprache anerkennen.

Bei der Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung habe die Schweiz in den letzten Jahren zwar Fortschritte gemacht, sagte Bundesrat Alain Berset vor den Medien in Bern. «Aber viele Hürden bleiben – am Arbeitsplatz, beim Zugang zu Dienstleistungen oder beim Wohnen.» Der Bundesrat will das Gesetz anpassen, um diese Hürden rasch abzubauen.

Bundesrat will Debatte anstossen

Mit seinem Entscheid will der Bundesrat auch eine Debatte darüber lancieren, wie Menschen mit Behinderung selbstbestimmt am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen können.

Menschen mit Behinderungen sind laut dem Bundesrat in ihrem Alltag nach wie vor benachteiligt, etwa bei Bewerbungsverfahren. «Menschen mit Behinderungen müssen im Erwerbsleben besser vor Diskriminierungen geschützt werden», sagte Berset.

Die Landesregierung will deshalb Arbeitgebende dazu verpflichten, «zumutbare» Massnahmen zu treffen, damit Mitarbeitende mit Behinderungen gleichgestellt einer Arbeit nachgehen können.

Anerkennung der Gebärdensprache

Ebenso sollen Private dafür sorgen, dass für die Öffentlichkeit bestimmte Dienstleistungen barrierefrei genutzt werden können. Der Bundesrat hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) mit einer entsprechenden Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) beauftragt. Dieses soll bis Ende Jahr vorliegen.

Insbesondere soll die Gleichstellung gehörloser Personen in diesen Bereichen gefördert werden. Zudem will der Bundesrat die Gebärdensprache anerkennen. Damit erfüllt er auch eine Forderung des Parlaments.

«Erfreulicher Teilerfolg – aber nicht Lösung aller Probleme»

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Der Dachverband der Behindertenorganisationen Schweiz, Inclusion Handicap, spricht in einer Stellungnahme von einem «erfreulichen Teilerfolg». «Die Vorschläge sind eine wichtige Reaktion auf einige drängende Probleme bei der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.» Die Lösung aller Probleme sei sie aber noch nicht.

Die geplanten Bestimmungen gegenüber Diskriminierung am Arbeitsplatz würden den Betroffenen die Möglichkeit geben, sich im Einzelfall zu wehren. Auch die Anerkennung der Gebärdensprache sei für die rund 10‘000 gehörlosen Personen in der Schweiz eine zentrale Voraussetzung für den Zugang zu Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem, Bildung oder Kultur. Insgesamt sei die Umsetzung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen aber eine zähe Angelegenheit: «Ohne hartnäckigen Druck der Behindertenverbände passiert bis jetzt nur wenig», heisst es in der Stellungnahme weiter. 

Der Schweizerische Gehörlosenbund kritisierte, dass der Bundesrat die Anerkennung der Gehörlosensprachen im Rahmen des Behindertengleichstellungsgesetzes regeln will. Die Organisation fordert ein eigenes Gebärdensprachengesetz. Denn Gehörlosigkeit dürfe nicht ausschliesslich als Behinderung verstanden werden. Die Gehörlosengemeinschaft in der Schweiz sei eine sprachliche und kulturelle Minderheit, hiess es.

Inclusion Handicap verweist weiterhin auf die Inklusions-Initiative , die zusammen mit weiteren Kräften der Zivilgesellschaft lanciert wird. Sie will die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen auf Verfassungsebene verankern und gibt insbesondere auch den Kantonen den klaren Verfassungsauftrag, die Gleichstellung umzusetzen.

Die Anerkennung der Gebärdensprache soll laut dem Bund auch symbolischen Wert für gehörlose Menschen haben und zeigen, dass ihre Anliegen und Bedürfnisse ernst genommen werden. Die Anerkennung soll zudem den Anstoss für eine Gesamtsicht geben, um zu eruieren, in welchen Bereichen es konkret Nachholbedarf gibt.

Selbstbestimmtes Wohnen

Neben der Arbeit und den Dienstleistungen will der Bundesrat die Gleichstellung auch bei der Partizipation und beim Wohnen verbessern. Menschen mit Behinderungen hätten Schwierigkeiten, die Wohnform und den Wohnort frei zu wählen, hiess es.

Eingeschränkt seien sie vielfach durch den Zugang zum Wohnraum – etwa, weil dieser zu teuer sei oder Einrichtungen nicht den benötigten Anforderungen entsprechen würden.

Deshalb soll geprüft werden, wie das selbstbestimmte Wohnen von Menschen mit Behinderungen verbessert werden kann. In der Schweiz leben laut Bundesrat rund 150'000 Menschen mit Behinderungen in Wohn- oder Altersheimen.

SRF 4 News, 10.03.2023, 14:30 Uhr ; 

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