Herausforderungen und Chancen Kampf gegen Einweg: Die Zukunft der Mehrwegsysteme in der Schweiz

Mehrwegsysteme für Verpackungen und Becher sollen eine nachhaltige Alternative zu Einwegprodukten bieten. Doch nicht jedes Konzept kann sich auf dem Schweizer Markt etablieren. Was braucht es, damit nachhaltige Lösungen langfristig funktionieren?

Sie sind unterwegs, kaufen einen Kaffee – und wenn Sie fertig sind, landet der Becher im Abfall. Genau diesen Einwegkaffeebechern hatte das Zürcher Start-up Kooky den Kampf angesagt. Doch nun ist Schluss: Kooky stellt sein Mehrwegsystem für Kaffeebecher ein und verlässt den Schweizer Markt. Die Zukunft des Unternehmens ist ungewiss.

Kooky ist nicht das einzige Unternehmen im Mehrwegsektor, doch es wirft die Frage auf: Was braucht es, damit ein Mehrweggeschirr-System funktioniert? Jeanette Morath ist Gründerin und Geschäftsleiterin von Recircle. Das Unternehmen bietet Mehrwegverpackungen für die Gastronomie an. Ihr Erfolgsrezept: «So einfach wie möglich.»

Die Schweiz sei noch kein sehr digitales Land, und das habe Kooky wohl unterschätzt. «Bei Kooky musste man sich in einer App registrieren, den Becher scannen und in einen bestimmten Behälter einwerfen, um das Depot zurückzubekommen», so Morath. Recircle hingegen setzt auf ein einfacheres System: «Wir arbeiten mit einem Depotsystem und der Rückgabe an möglichst vielen Orten, direkt über Menschen. Es muss so einfach wie möglich sein.»

Rückgang des Interesses?

Mehrweg war in den letzten Jahren ein grosses Thema, auch in der Politik. Ab 2023 wurde vielerorts eine Mehrwegpflicht für Grossveranstaltungen erlassen. Doch gefühlt wurde es ruhiger um das Thema. Das erlebt auch Jeannette Morath so.

2019 sei ihr stärkstes Jahr gewesen. Dann kam Corona, es folgten Kriege, Inflation, Strompreiserhöhungen und Personalmangel in der Gastro. Viele Restaurants mussten schliessen. Umweltthemen rückten in den Hintergrund, «das Überleben stand im Vordergrund», erklärt Morath.

Mülltonne mit Kaffeebechern und Zigarettenstummel.
Legende: «Wir Menschen sind an unserer Belastungsgrenze angekommen und haben im Moment keine Kapazität, um uns mit Umweltthemen zu befassen», erklärt Jeannette Morath von Recircle ihr Empfinden. imago images/Michael Gstettenbauer

Doch Morath sieht eine Trendwende: «Jetzt dreht sich der Wind zum Glück wieder langsam. Wir haben wieder mehr Gespräche mit grösseren Partnern wie Restaurantketten. Zudem organisiert sich die Mehrwegbranche.» So gebe es den neu gegründeten Verband New European Reuse Alliance. Auch in der Schweiz solle es bald einen Mehrwegverband geben. In der EU werde ein neues Verpackungsgesetz ausgearbeitet.

«Mit Recircle expandieren wir nach Europa. Wir sind schon in Deutschland mit 250 Restaurants und fokussieren jetzt auf Frankreich und auf Belgien», so Morath.

Herausforderungen bleiben

Trotz Fortschritten bleibt die Mehrwegbranche nicht ohne Herausforderungen. In Bern etwa will der Regierungsrat die Mehrwegpflicht bei Grossveranstaltungen lockern. Morath versteht diese Entwicklung nicht ganz: «In der Stadt Bern funktioniert das Mehrwegsystem super. Ich glaube, das kommt daher, dass die Lobby der Verpackungsindustrie sehr stark und die Angst vor Veränderungen gross sind. Aber die Kreislaufwirtschaft kommt.» Unsere Ressourcen seien schliesslich begrenzt.

SRF 4 News, 07.10.2024, 06:24 Uhr ; 

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