Isolation in Corona-Zeiten «Einsamkeit ist etwa so schädlich wie Rauchen»

Die aktuelle Situation macht Menschen einsamer. Beim Sorgentelefon der Dargebotenen Hand haben die Anrufe zum Thema Einsamkeit im März im Vergleich zum letzten Jahr um rund ein Drittel zugenommen. Psychiater Thomas Ihde erklärt, was Einsamkeit bedeuten kann.

SRF News: Wie schädlich ist Einsamkeit?

Einsamkeit kann leider tatsächlich körperliche und psychische Folgen haben. Es gibt Studien, die belegen, dass Einsamkeit schädlicher ist als hoher Blutdruck oder etwa so schädlich wie Rauchen. Mittelfristig steigt bei einsamen Menschen das Risiko für Depressionen, Schlafstörungen, sogar für Herzinfarkte. Wenn jemand aber nur ein paar Wochen lang einsam ist, hat dies noch keine gravierenden längerfristigen Auswirkungen.

Thomas Ihde

Präsident des Stiftungsrats bei Pro Mente Sana

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Dr. med. Thomas Ihde ist Chefpsychiater im Regionalen Spitalzentrum fmi im Berner Oberland und Präsident des Stiftungsrats bei Pro Mente Sana.

Es gibt momentan diverse Angebote wie Hotlines, Telefonketten, Brieffreundschaften. Helfen diese virtuellen Kontakte gegen Einsamkeit?

Solche Angebote sind sehr nützlich. Menschen merken aber trotzdem, dass ohne unmittelbaren Kontakt einfach etwas fehlt. Unser Hirn ist unterstimuliert. Zum Beispiel ist unser Geruchsinn recht aktiv, wenn wir jemandem begegnen. Bei virtuellen Gesprächen sind unsere Stresshormone erhöht, unsere Bindungshormone hingegen unteraktiv. Diese hormonellen Veränderungen reagieren weniger auf ein Gespräch über Skype als den Besuch der Nichte, was nun aber nicht möglich ist.

Angebote für Einsame

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  • Lust, mit einer Schauspielerin zu plaudern? Das Zürcher Schauspielhaus bietet jeden Mittwoch und Freitag von 10 bis 12 Uhr Sprechstunden mit MitarbeiterInnen aus dem Ensemble, der Dramaturgie, der Technik und den Werkstätten an. Mit wem Sie verbunden werden, ist zufällig: sprechstunde@schauspielhaus.ch oder 044 258 72 72
  • Telefonische Gesprächspartner vermittelt auch « Binenand ». Auf der Website wird man mit einer x-beliebigen anderen Person verbunden, die ebenfalls mit jemandem reden möchte: www.binenand.com
  • Ältere Menschen, die regelmässige telefonische Kontakte mit den gleichen Personen bevorzugen, können eine Telefonkette gründen. Infos zum Projekt von « Pro Senectute » gibt es hier. www.telefonketten.ch
  • Die Stiftung Selbsthilfe Schweiz bietet virtuelle Selbsthilfegruppen rund um das Thema «Corona» an. Die Treffen sind moderiert und finden wöchentlich statt. Mehr dazu gibt’s hier. https://www.selbsthilfeschweiz.ch/shch/de/aktuell/corona.html
  • Telefonseelsorge für Krisen und Alltagsprobleme bietet das Sorgentelefon der Dargebotenen Hand . Telefon, Mail und Chat, rund um die Uhr, anonym und verschwiegen: Tel 143 oder www.143.ch

Was kann man denn tun, wenn man sich einsam fühlt?

Wichtig ist, dass man die verschiedenen Kanäle ausnutzt. Vielleicht kann man ja auch mit den Nachbarn über den Balkon direkt kommunizieren. Wenn das nicht geht, sind Telefonieren, soziale Medien oder auch eine Skype-Kaffeepause mit den Arbeitskollegen hilfreich.

Das Gespräch führte Mirjam Spreiter.

«10vor10», 14.04.2020, 21:50 Uhr ; 

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