Kantonaler Flickenteppich Grosse Lücken im Schweizer Brustkrebs-Screening

Fast die Hälfte der Kantone lädt Frauen ab 50 nicht zum Brustkrebs-Screening ein. Das soll sich jetzt vielerorts ändern.

Wenn im Kanton Basel-Stadt eine Frau 50 Jahre alt wird, erhält sie eine Einladung zu einem Mammographie-Screening, einer Röntgenuntersuchung ihrer Brust. Und wenn die Frau diese Einladung annimmt, dann landet sie möglichweise bei Noemi Schmidt.

Dank dem Programm können wir noch viele Frauen abfangen, bevor ein Brustkrebs tastbar ist oder Symptome macht.
Autor: Noemi Schmidt Unispital Basel, Leiterin Mammadiagnostik

Noemi Schmidt leitet im Brustzentrum des Basler Universitätsspitals die Mammadiagnostik, wo die Brustuntersuchungen durchgeführt werden. Seit zehn Jahren kennt der Kanton Basel-Stadt ein Früherkennungsprogramm: «Wir sind sehr froh um dieses Programm. Denn so können wir viele Frauen abfangen, noch bevor ein Brustkrebs tastbar ist oder Symptome macht.»

Aus medizinischer Sicht seien diese Untersuchungen sinnvoll, sagt Schmidt, denn je früher man den Krebs erwische, desto höher seien die Heilungschancen.

Kosten als Gegenargument

Gleichwohl haben rund die Hälfte der Kantone bislang kein solches Früherkennungsprogramm eingeführt. Ein wichtiges Argument dieser Kantone: die Kosten für das Programm – und dass sich Frauen auch eigenverantwortlich für solche Untersuchungen anmelden könnten.

Markus Ossola von der Krebsliga Schweiz hat für diese Argumentation wenig Verständnis: Mehrere Studien hätten gezeigt, dass die Programme auch im Hinblick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis sinnvoll seien, weil es durch die Früherkennung zu weniger komplizierten und schweren und damit auch zu weniger teuren Krankheitsverläufen komme.

Überlebenswichtige Früherkennung

Ein Beispiel: Frauen, bei denen innerhalb eines Programms ein Brustkrebs entdeckt wird, müsse laut Ossola bei der Behandlung nur halb so oft die Brust entfernt werden. Und er liefert noch eine Zahl: «In den Kantonen ohne Früherkennungsprogramme haben Frauen mit Brustkrebs ein um 40 Prozent höheres Risiko, einen Brustkrebs im späteren Stadium mit Ablegern zu finden und auch daran zu sterben.»

Brustkrebs in der Schweiz – die Zahlen

Box aufklappen Box zuklappen

Brustkrebs ist bei Frauen in der Schweiz die häufigste Krebserkrankung. Jährlich wird bei rund 6500 Frauen Brustkrebs diagnostiziert – fast 1400 sterben daran.

In der Schweiz entscheide sich quasi an der Kantonsgrenze, wie gut die Chancen einer Frau sind, dass ein Brustkrebs frühzeitig erkannt und behandelt werden kann, sagt Markus Ossola.

Doch nun kommt Bewegung in die Sache: Die Kantone Aargau, Schaffhausen und Basel-Landschaft haben bereits Gelder für die Einführung von Mammographie-Programmen beschlossen. Im Kanton Luzern bringt die Regierung im Dezember einen entsprechenden Vorschlag ins Parlament.

Es ist gesundheitsökonomisch interessanter, in die Früherkennung zu investieren als in spätere kostenintensivere Behandlungen.
Autor: Michaela Tschuor Gesundheitsdirektorin Kanton Luzern

Auch weil dies ein Anliegen von Michaela Tschuor ist, der neuen Luzerner Gesundheitsdirektorin, die vor einem Jahr ins Amt gewählt wurde und das Brustkrebs-Screening zu einem Schwerpunkt erklärt hat.

700'000 Franken soll das Programm kosten – eine Rechnung, die für die Mitte-Politikerin aufgeht: «Es ist gesundheitsökonomisch interessanter, in die Prävention und Früherkennung zu investieren als in spätere kostenintensivere Behandlungen.»

Brustkrebs-Screening.
Legende: Ein Radiologe im Berner Engeried-Spital wertet die Röntgenbilder nach einer Mammografie aus. Keystone/Gaetan Bally

Auch andere Kantone, die noch kein Früherkennungsprogramme haben, machen sich Gedanken. Der Kanton Zürich beispielsweise schreibt auf Anfrage, die Einführung eines kantonalen Brustkrebs-Screening-Programms werde derzeit vom Amt für Gesundheit evaluiert, Ähnliches melden auch die Kantone Glarus und Obwalden.

Fortschrittliche Westschweiz

In der Romandie sind solche Früherkennungsprogramme seit bald 20 Jahren flächendeckend eingeführt. Studien zeigen, dass die Brustkrebstumore, die man in diesen Kantonen findet, im Schnitt kleiner sind als in Kantonen ohne Screening-Programm. Schlicht, weil man die Krebstumore in einem früheren Stadium entdeckt.

Rendez-vous, 08.10.2024, 12:30 Uhr;kobt

Meistgelesene Artikel