Kosten der Behandlungen Gesundheitsbranche einigt sich auf neues Tarifsystem

  • Vertreter der Gesundheitsbranche haben sich auf die Umsetzung eines neuen Tarifsystems geeinigt.
  • Die beiden ursprünglich getrennten Tarife – der Tardoc mit einzelnen Positionen und die ambulanten Pauschalen – sind zusammengeführt worden.
  • Der neue ambulante Tarif soll die Fehlanreize im heutigen Tarifsystem beseitigen und die Kosten senken.

Wie viel Geld dürfen Ärztinnen und Ärzte für eine Blutentnahme oder Röntgen abrechnen? Das regelt ein Tarifsystem. Der aktuelle Tarif Tarmed wurde vor über 20 Jahren fixiert und ist entsprechend veraltet. Um die Festlegung des neuen Tarifsystems wurde über zehn Jahre lang gerungen.

So funktioniert der neue ambulante Tarif

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Im ambulanten Bereich galt bisher das Tarifsystem Tarmed mit rund 4500 Tarifpositionen – also mit konkreten Preisen für Leistungen wie etwa Gespräche und körperliche Untersuchungen. Tardoc umfasst nur noch rund 2600 Positionen und soll Tarmed nun ersetzen.

Tardoc ist einfacher und bildet die tatsächlichen Kosten sowie einzelne neue Leistungen genauer ab als bisher. Zusätzlich gibt es auch ambulante Pauschalen, beispielsweise für Operationen wie den Grauen Star. Mit den ambulanten Pauschalen werden genau festgelegte Behandlungen verrechnet, pauschal.

Der Bundesrat hatte beide Tarifstrukturen, also sowohl Tardoc als auch die ambulanten Pauschalen, zwar zum Teil genehmigt, forderte aber Nachbesserungen – etwa, damit mit dem neuen Tarif die Kosten nicht steigen.

«Schuss könnte auch nach hinten losgehen»

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Einschätzung von Bundeshausredaktorin Christa Gall: «Der neue Tarif Tardoc umfasst Hunderte von Tarifpositionen, die man verändern will. Das ist ein Drittel der Prämien der obligatorischen Krankenversicherung – 13 Milliarden Franken pro Jahr. Also eine Riesensumme. Man hat nun nicht nur die veralteten Tarife der neuen medizinischen Realität angepasst. Man hat beispielsweise auch die Tarife für die Haus- und Kinderärzte verbessert. Im Grundsatz bedeutet dies, dass die Grundversorgung gestärkt wird.

Sollte der Tarif tatsächlich vom Bundesrat genehmigt werden, geht Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ziemlich grosse Risiken ein. Die Veränderungen sind dermassen komplex, dass im Moment schwer abschätzbar ist, wie sich das punkto Prämien entwickeln wird. Grundsätzlich hat der Bundesrat immer betont, dass die neuen Tarife die Kosten nicht erhöhen dürfen, das Ganze also kostenneutral sein muss. Ob das dann wirklich so herauskommt, steht aber auf einem anderen Blatt geschrieben. Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen.»

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider bezeichnet den gefundenen Kompromiss im Gespräch mit Radio SRF als «sehr wichtig». Die Einigung der Partner auf die neuen Tarife bei ambulanten Behandlungen und Pauschalen zeige, dass grössere Reformen im Schweizer Gesundheitswesen noch immer möglich seien.

Neue Lösung soll 2026 in Kraft treten

Das neue Tarifsystem soll künftig laufend aktualisiert werden können, sodass keine Reform-Blockade mehr entstehen kann wie in den vergangenen Jahren. Noch vor einem halben Jahr waren die Tarifpartner uneins. Denn sie waren gespalten in zwei Lager, die zwei verschiedene Tarifkonzepte vertraten, die sie aber zusammen weiterentwickeln sollten, um Tarmed abzulösen.

Im einen Lager fanden sich die Ärztevereinigung FMH und der Krankenkassen-Verband Curafutura (Tardoc). Im anderen Lager waren die Spitäler Hplus und der Krankenkassen-Verband Santésuisse (ambulante Pauschalen).

Arzt untersucht Patient auf Behandlungstisch in Praxis.
Legende: Der Bundesrat hatte im Sommer beschlossen, das neue Tarifsystem im Jahr 2026 einzuführen. (Symbolbild) KEYSTONE / Ti-Press, Alessandro Crinari

«Die Zusammenarbeit zwischen den Partnern war fruchtbar, die Blockaden wurden beiseite gelegt», ergänzte Bundesrätin Baume-Schneider zudem in einer Mitteilung ihres Innenministeriums. Dies werde es ermöglichen, das gesamte Gesundheitssystem besser in den Griff zu bekommen, in dem derzeit einige Leistungen zu viel und andere zu wenig berechnet würden, wie eben etwa die der Hausärzte.

Druck auf die Ärzteschaft

Baume-Schneider erklärte weiter, dass sie nun darauf warte, die unterschriebenen Beschlüsse zu erhalten. Der Bundesrat hatte den beteiligten Partnern eine Frist bis zum 1. November 2024 gesetzt, um sich zu einigen. Sollte dies nicht gelingen, so warnte er im vergangenen Juni, müsste die Regierung das Modell anpassen.

Im Vorfeld der Einigung hatte Ärztevereinigung FMH den gemeinsamen Weg kritisiert und stellte sich lange nicht hinter die gemeinsame Reform. Einzelne Fachgesellschaften kritisierten die ambulanten Pauschalen als unausgereift.

Das vorliegende Tarifsystem werde beim Bundesrat zur Genehmigung eingereicht, sobald die Ärztegesellschaft FMH über ihr verbandsinternes Referendum entschieden habe, teilte die gemeinsame Tariforganisation OAAT mit. Der Spitalverband Hplus schrieb, die Umstellung von Tarmed auf Tardoc stelle eine grosse Herausforderung für die Spitäler und Kliniken dar und biete keinen Spielraum für Verzögerungen.

Danach will die gemeinsame Organisation ambulante Arzttarife die neue Tarifstruktur dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider zur Genehmigung einreichen. Der Bundesrat möchte den neuen ambulanten Tarif eigentlich auf Anfang 2026 in Kraft setzen.

Echo der Zeit, 22.10.24, 18 Uhr ; 

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