Möriken-Wildegg (AG) Geplante Asylunterkunft: Ein Dorf probt den Aufstand

In Möriken-Wildegg (AG) sollen in ein ehemaliges Hotel 140 Geflüchtete einziehen. Einige Einwohnerinnen und Einwohner haben Angst vor den 140 Männern, die hier ab Juni wohnen werden. Zweitausend unterschrieben eine Petition, die letztes Wochenende eingereicht worden ist.

Bäcker Willi Moosberger wird diesen Sommer 65 Jahre alt. Eigentlich wollte er seinen Laden und das Café einem Nachfolger übergeben. Das werde nun schwierig, ist Moosberger überzeugt. Lange Zeit hat er das Hotel «Aarehof» gegenüber mit frischen Backwaren beliefert. Damit ist Schluss.

Denn aus dem Hotel mitten im Ort soll eine Asylunterkunft werden, zumindest für drei Jahre. «Ich habe Bedenken, was die den ganzen Tag machen und wo die abends sind», sagt Willi Moosbrugger. Und vor allem: Wer soll jetzt noch seine Bäckerei kaufen?

Das neue Asylzentrum liegt mitten im Dorf, neben dem Bahnhof Wildegg. Die Station wird gerade umgebaut. Auch der Platz vor dem Bahnhof wird neu gestaltet. Geplant ist im ehemaligen Hotel die Unterbringung von bis zu 140 Männern.

Zudem: «140 Männer werden sich im Sommer draussen aufhalten. Wir befürchten, dass sie am Bahnhof bleiben. Das erzeugt ein latentes Unsicherheitsgefühl», so Glarner.

Michael Bürgisser aus der Nachbargemeinde hat Kinder, die am Bahnhof Wildegg ein- und aussteigen. Er sammelte deshalb Unterschriften unter dem Motto «Keine Übergriffe auf unsere Frauen!». Unter diese reisserische Behauptung setzen zweitausend besorgte Bürgerinnen und Bürger ihre Unterschrift. Am letzten Wochenende wurde die Petition eingereicht.

Hotel Aarehof in Möriken-Wildegg.
Legende: Aus dem Hotel «Aarehof» in der Aargauer Gemeinde Möriken-Wildegg soll eine Asylunterkunft für 140 Männer werden. SRF

Über die geplante Asylunterkunft entschieden hat der Kanton Aargau. Pia Brugger Kalfidis vom kantonalen Sozialdienst beruhigt: «Es ist aus unserer Sicht eine gute Lösung. Wir sind nahe am ÖV, wenn die Leute einkaufen gehen oder wenn sie Deutschkurse besuchen.»

Was aber hält sie den Bedenken der vielen Dorfbewohnerinnen und -bewohnern entgegen? «Wir wollen einen ruhigen Betrieb in Wildegg», sagt Brugger Kalfidis. «Wir werden einen 24-Stunden-Sicherheitsdienst haben, der nachts auf Patrouille geht und wir reden mit den Anwohnern über sensible Zonen.» Verzichten auf die Unterkunft in Wildegg könne der Kanton nicht. Es braucht geeigneten Wohnraum für Geflüchtete.

Für SP-Grossrätin Lelia Hunziker sind die Bedenken heisse Luft. «Es ist erstaunlich», sagt sie. «Jedes Mal, wenn eine Asylunterkunft aufgeht, gibt es am Anfang einen Aufschrei. Es gibt Fackelzüge, Güllewagen, Petitionen. Aber wie das Amen in der Kirche kommt die Gegenbewegung. Nach ein paar Wochen heisst es im Dorf, wir haben gar nichts von den Neuen gemerkt.»

Doch auch die Gemeinde ist über den Entscheid nicht glücklich. Jeanine Glarner, Frau Gemeindeammann von Möriken-Wildegg, erfuhr aus einer Medienmitteilung des Hotelbesitzers, dass in ihrer Gemeinde eine neue Unterkunft geplant ist. Das ist nicht die feine Art, findet Frau Glarner. Der Kanton hätte das vorher mit der Gemeinde absprechen müssen.

Am dritten Juni ziehen die 140 neuen Bewohner voraussichtlich ein. Der Kanton lädt zuvor die Bevölkerung für eine Besichtigung der Unterkunft ein.

SRF Rundschau, 26.04.2023, 20:05 Uhr

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