Randale in Zürich und Basel Gewalt gegen Polizei in der Schweiz – ein Problem spitzt sich zu

Kürzlich kam es in zwei Städten zu Ausschreitungen mit Angriffen auf Ordnungskräfte. Ein Trend, der seit Jahren zunimmt.

«Wir kochen weiter» – eine Anspielung auf die Räumung des Koch-Areals. Rechts ein Hammer und eine Sichel in Rot.
Legende: «Wir kochen weiter» – eine Anspielung auf die Räumung des Stadtzürcher Koch-Areals. Rechts ein Hammer und eine Sichel in Rot, was als Andeutung auf den Kommunismus verstanden werden kann. KEYSTONE/Ennio Leanza

Der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) ist der nationale Berufsverband aller Polizistinnen und Polizisten. Wer dort nachfragt, merkt: Basel und Zürich sind keine Einzelfälle. VSPB-Sprecherin Alexia Hungerbühler sagt: «Die Gewalt an unseren Kolleginnen und Kollegen hat in den letzten Jahren zugenommen, was wir mit grosser Sorge beobachten.»

Seit Jahren ein Thema

Es ist eine Sorge, die schweizweit geteilt wird. So sagt etwa Rooven Brucker, Mediensprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt: «Gewalt an Polizistinnen und Polizisten ist seit Jahren ein Thema.» Und auch in Bern befasst man sich mit dem Problem. Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause führt aus: «Die Statistik zeigt: Die Polizistinnen und Polizisten der Kantonspolizei sind immer mehr mit Gewalt konfrontiert.»

Nause verweist auf die polizeiliche Kriminalstatistik. Diese wird jedes Jahr im März publiziert, die aktuellen Zahlen reichen bis 2021 zurück. Dabei erfasst das Bundesamt für Statistik auch, wie oft gegen Artikel 285 des Schweizerischen Strafgesetzbuches verstossen wird, wie häufig also gegen ein Mitglied einer Behörde Gewalt angewendet oder angedroht wird.

Die Grafik zeigt: Die Zahlen sind gestiegen. Wurden 2009 noch 2062 Verstösse registriert, waren es 2021 bereits 3044. Wichtig dabei: Unter dem StGB-Artikel werden nicht nur Polizistinnen, sondern auch andere Mitarbeitende des öffentlichen Diensts wie Sanitäter oder Feuerwehrleute subsumiert. Reto Nause: «Man muss die Problematik breiter fassen: Die Gewalt hat sich in den vergangenen Jahren vermehrt gegen den ganzen öffentlichen Dienst gerichtet.» Er betont aber, dass Polizistinnen und Polizisten der Gewalt besonders ausgesetzt seien.

Linksextremismus stark vernetzt

In Basel und Zürich kam es zu Krawallen, welche dem linksextremen Block zugeordnet werden können. Dabei fällt auch auf, dass die Gruppierungen vernetzt zu sein scheinen. So waren bei der Demonstration in Basel unter anderem Fahnen der Revolutionären Jugend Zürich (RJZ) zu sehen.

Vermummte Gesichter während der Demonstration in Basel. Rechts ist eine fahne der Revolutionären Jugend Zürich zu sehen.
Legende: Vermummte Gesichter während der Demonstration in Basel. Rechts ist eine Fahne der Revolutionären Jugend Zürich zu sehen. KEYSTONE/Georgios Kefalas

Auch Dirk Baier sieht diese Vernetzung. Er leitet das Institut für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). «Insbesondere in den Grossstädten gibt es Gruppierungen, die zueinander in Beziehung stehen», sagt der Extremismusforscher. Dabei würden sie auch in verschiedene Städte reisen, um dort an den Gewalteskalationen teilzunehmen.

Das politische System abschaffen

Baier betont zudem: Im Gegensatz zu rechtsextremer Gewalt werde Linksextremismus unterschätzt. «Rechtsextreme Gewalt ist immer menschenfeindlich», führt er aus. Linksextremismus werde eher als «sympathischer» empfunden, weil man gegen Ungleichheit kämpfe.

Banken, Rohstofffirmen oder Nahrungsmittelkonzerne dienen häufig als Symbol gegen das kapitalistische System.
Legende: Banken, Rohstofffirmen oder Nahrungsmittelkonzerne dienen häufig als Symbol gegen das kapitalistische System. Hier ein Bild von der Demonstration aus Basel vor zwei eineinhalb Wochen. KEYSTONE/Georgios Kefalas

Auch würde sich deren Gewalt nicht gegen Menschen, sondern Gebäude oder Symbole richten, etwa gegen den Kapitalismus, aber auch den Staat. Doch gemeinsam hätten beide Strömungen das Ziel, das politische System abzuschaffen. «Von daher sind beide ernst zu nehmen», so Baier. Beides seien letztlich Formen von Gewalt, die für eine Demokratie gefährlich seien.

Tagesschau, 20.02.2023, 19:30 Uhr

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