Die etwas anderen News FDP, SVP oder Burkart: Wer hat zu viel gekippt?

«Die SVP kippt immer mehr ins linke Lager», sagt FDP-Präsident Thierry Burkart in einem Interview. Reden wir von der gleichen Partei, deren Mitglieder den Hitlergruss machen und mit Rechtsextremen demonstrieren?

Renato Kaiser 

Kabarettist

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Mit seiner geschliffenen Sprache trägt Renato Kaiser unentwegt kritische Gedanken an sein Publikum. Diese werden mit so viel Dampf vorgetragen, dass man dabei nicht nur bestens unterhalten, sondern auch regelrecht mitgerissen wird. Die Arbeit des gebürtigen St. Gallers wurde 2020 mit dem Salzburger Stier geehrt. Kaiser ist Co-Head-Writer der «Sendung des Monats» und aktuell mit seinem vierten Bühnenprogramm «NEU» auf Deutschschweizer Bühnen zu sehen.  

Die Aussage von Burkart klingt wie der eine betrunkene Arbeitskollege, der beim Geschäftsessen etwas ganz Kontroverses sagen will, um die Praktikantin mit den blau gefärbten Haaren zu provozieren: «Jjaa mittlerweile isss ja alles wouk und links, sogar die Sssvp!» Dort würden wir dann sagen: «Ach der Kusi, der hat’s halt nicht leicht seit der Scheidung.»

Was ist mit linkem Lager gemeint? Eher Arbeitslager? Oder Yoga-Retraite??

Aber weil es nun mal der Präsident der FDP ist, nehmen wir die Aussage auseinander, als sei es ein raffiniertes Rätsel. Hm! Was will uns der Autor damit sagen? Was ist mit linkem Lager gemeint? Eher Arbeitslager? Oder Yoga-Retraite?? Die einzige linke Tendenz, die ich wahrnehme, war im letzten Juni, als sich SVP-Nationalrat Thomas Aeschi im Bundeshaus mit einem Polizisten geprügelt hat. Fuck the Police! Es würde mich nicht wundern, wenn der Thomas eine All-Cops-are-Bastards-Tätowierung über dem Aeschi hätte.

Man ist spätestens dann nach rechts gerutscht, wenn einem die SVP zu links vorkommt.

Deutlich weniger realitätsfern wäre es, zu sagen, die FDP kippe immer mehr ins rechte Lager. Dann würde FDP protestieren: «Also bitte, bei welcher Position?» Und dann könnte man über die Personenfreizügigkeit reden, das EU-Dossier, die Migrationspolitik und wie die FDP abgewiesene Asylsuchende am liebsten direkt nach Ruanda abschieben würde. Aber weil wir offensichtlich auf dem Politdiskurs-Niveau von Facebook angelangt sind, müsste man wohl sagen: Man ist spätestens dann nach rechts gerutscht, wenn einem die SVP zu links vorkommt.

Nur schon in der ersten Oktoberwoche: Da protestiert der SVP-Ständerat Pirmin Schwander mit Rechtsextremen zusammen gegen ein Bundesasylzentrum, im Wallis taucht ein Video von einem SVP-Gemeinderat auf, in dem er den Hitlergruss macht und ruft: «Wir sind für Adolf Hitler, SVP, SVP, SVP!», und Thierry Burkart sagt: «Doch. Ich sehe, wo das Problem liegt. Die SVP … ist zu links!»

Niemand schreibt heute noch Briefe!

Auch sein Versuch, den bürgerlichen Schulterschluss mit der Mitte zu suchen, sei erfolglos geblieben: «Die Antwort auf den Brief war lau». Ja, natürlich war der lau! Niemand schreibt heute noch Briefe! Thierry Burkart sollte nächstes Mal so kommunizieren, wie es Männer seines Alters machen: nämlich im WhatsApp-Gruppenchat, mit tausend kryptischen Emojis und drei Punkten am Schluss jedes Satzes. Wenn Sie nicht gerade beim Weihnachtsapéro im Ochsen der armen Leonie besoffen ins Ohr schreien, dass die SVP immer weiter ins linke Lager kippe.

Ausserdem: Thierry Burkart sagt im gleichen Interview, in derselben Antwort, nur einen Satz später: «Die SVP wird zur gewöhnlichen, europäischen, rechtspopulistischen Partei.» Denn so ist anscheinend für den Präsidenten der FDP eine ganz gewöhnliche, europäische, rechtspopulistische Partei: Zu … links? Da ist es wohl für alle Beteiligten besser, wenn man ihn nicht allzu sehr beim Wort nimmt.

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Bissiger Spass im satirischen Wochenrückblick. In der Radio-Kolumne «Zytlupe» analysieren starke Stimmen die Hochs und Tiefs der Politwoche : ungefiltert und ungeniert unkorrekt. Alle «Zytlupe»-Artikel finden Sie hier.

SRF 1, Zytlupe, 12.11.2024, 13:00 Uhr

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