Schützen und Schengen Nationalrat für Verschärfung des Waffenrechts

Eine heikle Baustelle in der Europapolitik: Die grosse Kammer geht auf die Vorlage des Bundesrates ein.

Darum geht es: Nach den Terroranschlägen von Paris im Oktober 2015 hat die EU ihr Waffenrecht verschärft. Die Schweiz muss nachziehen, will sie nicht aus Schengen/Dublin ausgeschlossen werden. Ein zu hoher Preis für den Nationalrat. Die grosse Kammer ist auf die Vorlage eingetreten.

Bundesrat reizt Spielraum aus: Im Fokus der neuen EU-Richtlinien sind halbautomatische Sturmgewehre, welche in der Schweiz weit verbreitet sind. Die Aussicht, Schützen könnten keine Feldschiessen mehr durchführen und Soldaten müssten nach Beendigung der Dienstpflicht ihre Waffen abgeben, sandte Schockwellen durch das Land.

Angesichts des innenpolitischen Drucks reizte der Bundesrat bei der Umsetzung den vorhandenen Spielraum aus. Zur Umsetzung der EU-Richtlinie schlägt der Bundesrat vor, halbautomatische Gewehre mit einem Magazin von mehr als zehn Schuss und Pistolen mit über zwanzig Schuss zu verbieten. Für Armeeangehörige, Jäger und Sportschützen ändere sich nichts bis sehr wenig, betonte Bundesrätin Simonetta Sommaruga.

Künftig ist für den Erwerb halbautomatischer Waffen eine Ausnahmebewilligung nötig. Diese bekommt, wer Mitglied in einem Schützenverein ist oder regelmässig mit der Waffe übt. Für künftig verbotene Waffen gilt eine Besitzstandsgarantie. Nicht betroffen sind auch Sturmgewehre, die nach der Dienstzeit übernommen werden.

Das sagen die Befürworter: Die grosse Mehrheit des Rates gibt sich denn auch mit der Arbeit des Bundesrats zufrieden und will keinen weiteren Clinch mit Brüssel riskieren. «Die Schweiz besteht nicht nur aus Schützen», unterstreicht Chantal Galladé (SP/ZH). Man müsse auch die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz, die mit dem Schengen-Abkommen verbunden seien, im Auge behalten. Und ohnehin seien die Freunde des Schiesssports nicht von der Vorlage betroffen, so die Nationalrätin.

Auch ihr Ratskollege Beat Flach (GLP/AG) sieht die Schützen vom neuen Gesetz nicht beeinträchtigt und hebt den Sicherheitsaspekt hervor: «Das Gesetz wird denjenigen betreffen, der eine Kalaschnikow hat, die er nicht im Schützenstand gebrauchen kann.»

Das sagen die Gegner: Als einzige Partei stemmte sich die SVP gegen das Gesetz. «Die wenigsten Anschläge in Europa wurden mit Waffen gemacht», sagt der oberste Schütze des Kantons Bern, Werner Salzmann. Auf das Schengener Loblied mochte der SVP-Nationalrat nicht einstimmen. Das Abkommen sei zwar wichtig für die Wirtschaft. Aber es bringe auch Gefahren wie Kriminaltourismus, Schmuggel und Überfälle: «Unsere Leute bewaffnen sich, weil sie Angst haben.»

Trotz markiger Worte scheiterte die SVP mit ihren Anträgen, die Beratung der Vorlage zu sistieren, bis das EU-Gericht über eine Klage Tschechiens gegen die Richtlinie entschieden hat. Der Antrag scheiterte mit 120 zu 68 Stimmen. Die Anträge auf Nichteintreten und Rückweisung scheiterten mit ähnlichen Mehrheiten.

Das wurde entschieden: In Privatbesitz übernommene Ordonnanzwaffen sollen gar nicht zu den verbotenen Waffen gezählt werden, Ausnahmen sind daher unnötig. Als verboten gelten damit nur noch halbautomatische Waffen, in die ein grosses Magazin eingesetzt ist. Bei Pistolen liegt die Grenze bei 20 Schuss, bei Gewehren bei 10. Das unter Schützen weit verbreitete Sturmgewehr 90 fasst 20 Patronen - mit einem solchen Magazin gälte es künftig als verbotene Waffe.

Wer eine verbotene Waffe erwerben will, muss Sammler oder Sportschütze sein. Als Sportschütze gilt, wer Mitglied eines Vereins ist oder regelmässig schiesst. Diese Nachweise müssen nach dem Willen des Nationalrats nach fünf und dann nach zehn Jahren erbracht werden. Wer bereits eine verbotene Waffe besitzt, kann diese ohne Auflagen behalten.

Mann hält Sturmgewehr
Legende: Wer das Sturmgewehr 90 erwerben will, braucht künftig eine Bewilligung. Keystone

Waffenbestandteile sollen weiterhin nicht markiert werden. Hier sieht Sommaruga einen klaren Verstoss gegen EU-Recht. Das gleiche gilt für den Entscheid, dass Waffenhändler nicht über grosse Magazine Buch führen müssen.

Gescheitert sind alle Anträge der Linken, die weiter gehende Verschärfungen verlangten. Ebenso fand die SVP mit den meisten Anträgen, die sich gegen die Umsetzung der EU-Vorschriften wandten, keine Mehrheit.

So geht es weiter: Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Das Parlament ist unter Zeitdruck: Die Schweiz muss die Änderungen der EU-Waffenrichtlinie bis zum 31. Mai 2019 umsetzen. Eine Referendumsabstimmung gilt als wahrscheinlich.

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