Pendler steigen an der Hauptbahnhof Zürich in die S-Bahn ein.
Legende: Wie soll die Zuwanderungsinitiative umgesetzt werden? Eine Frage, viele Antworten und kein Konsens. Keystone

Schweiz «Der Bundesrat ist in einer sehr schwierigen Situation»

Der Regierung bläst bei der Umsetzung der Zuwanderungsinitiative ein eisiger Wind entgegen: Die SVP sieht den Volkswillen missachtet. Auch Bürgerliche und Linke sind unzufrieden. Und die EU zeigt kaum Kompromissbereitschaft. SRF-Inlandredaktor Elmar Plozza entwirrt das Positions-Dickicht.

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Elmar Plozza: Der Bundesrat ist bereit, Höchstzahlen bei der Einwanderung einzuführen. Gleichzeitig will er, dass dies mit der Personenfreizügigkeit und der EU vereinbar ist. Für die SVP ist das eine zu weiche Haltung. Verschiedene SVP-Politiker haben in den letzten Monaten immer wieder gesagt, notfalls seien sie bereit, auf den bilateralen Weg zu verzichten, um die Initiative umzusetzen. Hier gibt es eine klare Meinungsverschiedenheit. Die SVP möchte zudem gewisse Einschränkungen beim Familiennachzug. Auch hier unterscheidet sich die Position von der des Bundesrats.

Kritik gibt es nicht nur von rechts: Wo stehen die Linke und die Mitte-Parteien?

Die Parteien äussern sich recht unterschiedlich. Die SP etwa möchte am liebsten ganz auf Kontingente verzichten. Die Sozialdemokraten bevorzugen zusätzliche Massnahmen gegen Lohndumping oder wollen auf steuerliche Erleichterungen für ausländische Firmen verzichten. Auch die CVP ist skeptisch gegenüber Kontingenten. Sie fürchtet, dass dies mit dem bilateralen Weg nicht zu vereinbaren wäre. Die Christdemokraten bevorzugen deshalb eine sogenannte Schutzklausel, die nur unter gewissen Bedingungen aktiviert werden könnte. Ein solches Konzept hat der ehemalige Diplomat Michael Ambühl entwickelt. Die BDP wiederum kann sich Höchstzahlen vorstellen, insbesondere, wenn sie flexibel sind. Vor allem aber will sie den bilateralen Weg in der Verfassung verankern. Man sieht: Es ist bis jetzt kein klarer Weg zur Umsetzung der Initiative erkennbar.

Am Wochenende hat sich auch die FDP geäussert. Sie will, dass das Volk über die Bilateralen entscheidet: Was ist davon zu halten?

Man kann davon ausgehen, dass am Schluss ohnehin das Volk das letzte Wort bei der Umsetzung der Initiative hat. Voraussichtlich wird das Ende 2016 sein. Auf der einen Seite gibt es die Möglichkeit der FDP, also eine Varianten-Abstimmung: Eine strikte Variante der Umsetzung, verbunden mit dem Risiko, dass der bilaterale Weg beendet wird. Oder die zweite Variante, die die FDP selber bevorzugt: Dass die Initiative pragmatisch umgesetzt wird und man eher versucht, bei den Drittstaaten strikter zu sein, zum Beispiel im Asylbereich. Damit sollen die Bilateralen gewahrt werden. Eine andere Möglichkeit neben der Varianten-Abstimmung wäre, dass ein bereinigtes Umsetzungskonzept zur Abstimmung kommt – nach einer innenpolitischen Debatte und Konsultationen mit der EU. Im Falle eines Ja würde die Masseneinwanderungs-Initiative zwar weiter in der Verfassung stehen. Der gewählte Weg, auch ein pragmatischer, würde dann aber politisch gelten.

Was bedeutet diese Ausgangslage nun für den Bundesrat?

Er ist in einer sehr schwierigen Situation. Aussenpolitisch zeigt sich die EU bislang in allen Stellungnahmen ziemlich hart und sagt, bei der Freizügigkeit gebe es nichts zu verhandeln. Dazu passt die harte Position, die die EU kürzlich beim Interims-Stromabkommen eingenommen hat. Hier hat die EU zuerst ein institutionelles Rahmenabkommen verlangt, was für die Schweiz viel kniffliger ist. Innenpolitisch bleibt es schwierig, weil das Bild sehr uneinheitlich ist. Es gibt keine richtige Rückendeckung für den Bundesrat – und sehr viele Fragezeichen. Er wird trotzdem versuchen, mit der EU ins Gespräch zu kommen. Bei der Frage, wo die roten Linien sind oder allenfalls Kompromissmöglichkeiten bestehen, lässt sich zur Zeit weder der Bundesrat noch die EU in die Karten schauen.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

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