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Legende: Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP): Niemand will Parallelgesellschaften wie in Frankreich. Keystone/Archiv.

Schweiz «Wir wollen keine Hinterhof-Moscheen»

Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr will die Anerkennung muslimischer Religionsvereine erneut vors Volk bringen. Transparenz und Dialog seien die Lösung, Hinterhof-Moscheen müssten vermieden werden, sagt die Sozialdemokratin nach den Vorfällen in der An' Nur-Moschee in Winterthur.

Die muslimischen Religionsgemeinschaften in der Schweiz gleichstellen mit den christlichen und jüdischen: Dies lehnte das Zürcher Stimmvolk 2003 mit deutlicher Mehrheit ab. Das so genannte Anerkennungsgesetz fiel im Kanton mit 64 Prozent Nein durch. Laut der Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr ist die Forderung gerade nach den Vorfällen rund um die An' Nur Moschee in Winterthur unverändert aktuell.

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Jacqueline Fehr: Persönlich bin ich der Meinung, dass wir keine französischen Verhältnisse wollen. Dies ist wohl auch die Meinung der allermeisten Menschen in diesem Land. Also weder Parallelgesellschaften noch Hinterhof-Moscheen noch Versammlungen, von denen wir nichts wissen. Ebenso keine Ansammlungen von Menschen, die wir nicht kennen. Damit wir dieses Ziel weiterhin erreichen können, müssen und wollen wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Deshalb sind wir im Dialog mit diesen Vereinen.

Der beste Weg dazu wäre also die Anerkennung?

Eine Anerkennung schafft Verbindlichkeit und Transparenz. Drei Bedingungen müssen erfüllt sein: Es braucht erstens ein klares Bekenntnis zur schweizerischen Rechtsordnung. Zweitens erwarten wir von den Religionsvereinen, dass sie in den Vereinsstrukturen – also nicht in der theologischen Interpretation – unsere Grundsätze von der Gleichberechtigung von Frau und Mann einhalten. Drittens müssen sie die Finanzen offenlegen. So gehen wir mit verschiedenen kirchlichen Gruppierungen um, die in der theologischen Interpretation die Gleichstellung von Frau und Mann auch nicht gewährleisten. Das gilt für zwei jüdische Gemeinschaften im Kanton Zürich.

Gibt es keinen anderen Weg zu erfahren, welcher Imam gerade was predigt?

Wir haben bei keinem Prediger – egal welcher Religion – die Möglichkeit zu sagen: Das ist ein guter oder ein erlaubter Prediger oder nicht. Das gilt im gleichen Masse für evangelikale Prediger wie für islamische oder für Prediger anderer Religionsgemeinschaften. Wir haben aber unser Strafrecht, falls ein Prediger diese Linie überschreitet. Wir können mit dem Strafrecht eingreifen, wenn jemand zu Gewalt aufruft oder gegen unser Recht verstösst. Das haben wir getan.

Vor 13 Jahren hat das Stimmvolk das Anerkennungsgesetz abgelehnt. Weshalb könnte dies jetzt anders sein?

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es ein langer Weg ist. Aber es ist ein Weg mit dem Ziel, auf beiden Seiten Klarheit zu schaffen. Die muslimische Gemeinschaft weiss, was wir an Vereinsstrukturen von ihr erwarten. Wir wissen, wie wir unsere Grundsätze durchsetzen wollen. Damit bleiben wir im Dialog. Es ist auf jeden Fall für die Sicherheit und den Frieden in der Schweiz der viel intelligentere Weg, als einfach die Augen zu verschliessen – und so zu tun, als ob der Hinterhof besser wäre als die Öffentlichkeit.

Dafür brauchen Sie ein Ja vom Volk. Doch ein Meinungsumschwung ist bisher nicht auszumachen?

Ich bin sehr froh, dass am Schluss die Stimmbevölkerung per Verfassungsabstimmung darüber entscheidet, ob und allenfalls welche muslimische Gemeinschaft sie unter welchen Bedingungen anerkennen will. Denn das setzt eine breite gesellschaftliche Diskussion voraus. Die Zeit dafür sollten wir uns nehmen. Denn auf diesem Weg erfahren wir schon sehr viel voneinander und können sehr viel zum gesellschaftlichen Frieden beitragen.

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