Trächtige Kühe im Schlachthof Strafe für Bauern soll Leiden der ungeborenen Kälber stoppen

Trotz Deklarationspflicht werden tausende trächtige Tiere geschlachtet. Nun sollen die Bauern zur Kasse gebeten werden.

Trächtige Tiere auf der Schlachtbank, tote Kälber – das darf nicht mehr passieren, sind sich Fleischbranche, Landwirtschaftsvertreter, der Bund und Tierschützer einig. Und wenn, dann höchstens im Notfall, etwa wenn ein Tier todkrank oder schwer verletzt ist.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich oben genannte Interessenvertreter unter anderem auf eine Deklarationspflicht geeinigt: Seit rund drei Jahren müssen Bauern vor dem Verladen in Richtung Schlachthof auf einem Formular eintragen, ob die Tiere trächtig sind oder nicht ( «Espresso» hat berichtet ).

Ernüchternde Zahlen

Seit rund drei Jahren dokumentieren die Schlachthöfe alle Fälle von trächtigen Tieren. Das Resultat ist ernüchternd: Die Zahl liegt nämlich konstant hoch bei rund 2500 Fällen pro Jahr. Das sei zwar nur ein Prozent aller abgelieferten Tiere, aber trotzdem noch zu viel, sagt Peter Schneider vom Branchenverband Proviande und: «Weil sich nichts verändert hat, braucht es jetzt weitere Massnahmen.»

Strafgebühr ab Januar 2020

Konkret zieht die Branche nun ab 1. Januar 2020 die Schraube an, schreibt die Zeitung «Schweizer Bauer». Landwirte, die nachweislich und ohne guten Grund trächtige Kühe oder Rinder zum Schlachten geschickt haben, werden mit einer Gebühr von 100 Franken belastet.

Das soll nicht nur Druck machen auf jene Landwirte, die sich um die Deklarationspflicht foutieren. Mit der Gebühr wolle man auch den Mehraufwand der Schlachthöfe wegen solcher Fälle honorieren, so Schneider: «Man muss den Tierhalter ermitteln, Dokumente suchen, den Besitzer informieren und alles dokumentieren.»

In ein paar Monaten werde die Branche wieder Bilanz ziehen und schauen, ob die Strafe den gewünschten Erfolg gebracht habe, sagt Peter Schneider von Proviande.

Tierschützer zweifeln am Erfolg

Er denke nicht, dass diese 100-Franken-Gebühr reiche, um das gewünschte Ziel zu erreichen, sagt Cesare Sciarra vom Schweizer Tierschutz gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso»: «Es wird wahrscheinlich mehr brauchen als das.» Man werde weiterhin ein Auge haben auf das Problem.

Tierarzt soll Notfälle beurteilen, nicht der Bauer

Der Tierschützer kritisiert noch einen weiteren Punkt dieser Branchenregelung: Die Beurteilung von Notfällen. Der Bauer kann nämlich selber entscheiden, ob er ein trächtiges Tier notfallmässig schlachten lässt oder nicht. Sciarra findet: «Das muss ein Tierarzt beurteilen.»

Grundsätzlich hält der Tierschutz den Ansatz, wie die Fleischbranche das Problem der trächtigen Tiere im Schlachthof zum Verschwinden bringen will, aber weiterhin für sinnvoll. Anders als in Deutschland ist in der Schweiz das Schlachten trächtiger Tiere nicht verboten.

Strenge Sanktionen für Wiederholungstäter

Ein Verbot sei nicht zielführend, ist Martin Rufer vom Schweizer Bauernverband überzeugt. Er ist sich sicher, mit griffigen Massnahmen und einer guten Kommunikation erreiche man mehr. Dies vor allem, weil alleine mit einem Verbot nicht sichergestellt werden kann, dass wirklich weniger trächtige Kühe geschlachtet werden. Dazu bräuchte es entsprechende Kontrollen.

Rufer ist überzeugt: «Hundert Franken sind in der Landwirtschaft nicht nichts», er gehe deshalb schon davon aus, dass diese Strafgebühr Wirkung zeige. Klar ist für Rufer aber auch, dass Wiederholungstäter strenger angepackt werden müssen. «Schlachthöfe könnten auch Liefersperren verhängen», sagt Rufer gegenüber dem Konsumentenmagazin «Espresso».

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