Verbot von Chlorothalonil Bauern denken über Rücknahmeforderung nach

Die Bauern begrüssen das Verbot, bemängeln aber die kurze Frist. So bleiben sie auf Restbeständen des Fungizids sitzen.

Jetzt herrsche wenigstens Klarheit, sagt Bauernverbands-Sprecherin Sandra Helfenstein auf Anfrage. Auch Verbandspräsident Markus Ritter äusserte sich gegenüber SRF News positiv über das schnelle Handeln des Bundes. Man unterstütze das Verbot von Chlorothalonil voll und ganz.

Weniger Verständnis hat der Bauernverband allerdings für die kurze Frist und dass die Bauern auf den bereits eingekauften Produkten sitzenbleiben. Bereits ab dem 1. Januar 2020 dürfen Produkte mit dem Inhaltsstoff Chlorothalonil nicht mehr verwendet werden.

Sandra Helfenstein sagt dazu: «Bauern kaufen ihre Produkte häufig auf Vorrat ein. Bis im Sommer gab es keine Anhaltspunkte, dass dieses Produkt bedenklich ist. Die Bauern haben dieses Produkt im Vertrauen auf die Zulassungsbehörden gekauft.» Im Normalfall gebe es bei einem Zulassungsentzug entweder einen Rückkauf oder eine Möglichkeit, die Produkte noch aufzubrauchen.

Dringlichkeit spricht gegen längere Verbrauchsfrist

Doch diesmal gibt es nichts Vergleichbares. Beim zuständigen Bundesamt verweist man dabei auf die Gefährlichkeit von Chlorothalonil. Sprecherin Florie Marion betont, dass man unter diesen Umständen von einer langen Verbrauchsfrist absah. Auch eine Rücknahme des Produktes durch den Bund sei nicht geplant.

Hersteller Syngenta zeigt sich enttäuscht

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Das Verbot von Chlorothalonil werde nicht nur die Fähigkeit der Landwirte beeinträchtigen, wichtige Nutzpflanzen wie Weizen und Gerste in der Schweiz zu produzieren, sondern auch das Risiko der Entwicklung von Resistenzen gegenüber anderen Fungiziden auf dem Markt erhöhen – dies schreibt der Hersteller Syngenta auf Anfrage von SRF News.

Das Unternehmen habe gehofft, dass eigene Daten, die man den Behörden zur Verfügung gestellt habe, die Ungefährlichkeit von Chlorothalonil bestätigen würden. Man nehme aber zur Kenntnis, dass das nicht der Fall ist. Syngenata warte nun den detaillierten Entscheid ab, bevor über weitere Schritte entschieden werde, schreibt das Unternehmen weiter.

Die EU hat den Wirkstoff schon länger als «vermutlich krebserregend» eingestuft. Ende Oktober liess sie die Zulassung für Chlorothalonil auslaufen, die Bauern in der EU dürfen ihre Restbestände allerdings noch bis Mai 2020 verwenden.

Mögliche Schadenersatzforderungen der Bauern

Wie hoch die Restbestände der Schweizer Bauern sind, wisse man nicht, sagt Sandra Helfenstein: «Wir werden dies nun überprüfen und mit den einzelnen Bauern anschauen.» In einer früheren Einschätzung rechnete man aber mit einem Schaden von mehreren tausend Franken für einzelne Bauern.

30 Pflanzenschutzmittel werden überprüft

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Im Jahr 2010 führte der Bund ein Programm zur Überprüfung von alten Pflanzenschutzmitteln ein, um zu gewährleisten, dass diese die aktuellen Anforderungen immer noch erfüllen. Aktuell sind laut dem Bundesrat noch dreissig Pflanzenschutzmittel in Überprüfung. Der Bundesrat sei bereit zu prüfen, ob künftig Wirkstoffverbote aus der EU ohne weitere Überprüfung übernommen werden können, hiess es Ende November.

Früher war die Beurteilung der Toxizität von Abbauprodukten keine Anforderung für die Zulassung eines Mittels. Die aktuellen Anforderungen an eine Bewilligung für Pflanzenschutzmittel seien jedoch höher als vor zwanzig Jahren, wie das BLW schreibt. Produkte, die in den 1970er- und 1980er-Jahren bewilligt wurden, würden heute nicht mehr unbedingt eine Zulassung erhalten.

Im Rahmen dieser Überprüfung wurde festgestellt, dass bestimmte Abbauprodukte von Chlorothalonil im Grundwasser als relevant erachtet werden müssen. Seit Beginn der Überprüfung wurden fast hundert Wirkstoffe getestet. Zum ersten Mal führt die Frage der Relevanz eines Abbauprodukts im Grundwasser dazu, dass Pflanzenschutzmitteln die Zulassung entzogen wird.

Diese Zahl will der Bauernverband heute nicht bestätigen. «Wenn wir aber einen relevanten Schaden ausmachen können, müssen wir uns entsprechende Forderungen überlegen, dazu braucht es aber zuerst eine Bestandesaufnahme.»

Das Fungizid Chlorothalonil wird in der Schweiz seit rund 50 Jahren eingesetzt, vor allem gegen Pilzbefall bei Reben, Getreide und Gemüse. Ausserhalb der Landwirtschaft wird es auch in Holzschutzmitteln verwendet.

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