Verhältnis Schweiz-EU Nationalrat beerdigt doppelte Kohäsionsmilliarde

Die Idee, das Verhältnis zur EU mit noch mehr Geld zu entkrampfen, erlitt im Nationalrat Schiffbruch und ist vom Tisch.

Weil das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU nicht zustande kam, kann die Schweiz an vielen EU-Programmen nicht mehr teilnehmen, etwa im Forschungsbereich. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) wollte nun diese Blockade in der Europapolitik mit einer Verdoppelung der Kohäsionsmilliarde lösen.

Mit der zusätzlich beantragten Summe von gut 953 Millionen Franken hätte die Schweiz mit genau 2 Milliarden Entwicklungsprojekte im Osten Europas unterstützen können. Diese Projekte hätten dann zehn Jahre lang 200 statt 100 Millionen Franken aus der Schweiz erhalten. Als Gegenleistung sollte Brüssel die Schweiz bis spätestens Mitte des nächsten Jahres wieder in das Forschungsprogramm Horizon und im Studierenden-Austauschprogramm Erasmus+ aufnehmen.

Doch der Nationalrat hatte im Rahmen der Budgetdebatte kein Gehör für diesen Vorschlag. Der Entscheid fiel mit 93 zu 84 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Weil die Idee am Dienstag im Ständerat kein Thema war, ist die Idee der APK-N vom Tisch.

«Illusorische Idee»

Die Mehrheit im Nationalrat war der Auffassung, dass es illusorisch sei, sich den Zugang zu den EU-Forschungsprogrammen durch einen finanziellen Beitrag zu «erkaufen». Zudem sei es unangebracht und gefährlich, eine zusätzliche Milliarde zu bezahlen in einer Zeit, in der die Covid-Pandemie zu hoher finanzpolitischer Unsicherheit führe.

Insgesamt könne sich ein solcher Antrag als kontraproduktiv erweisen und die Position des Bundesrates bei künftigen Verhandlungen schwächen, sagte Lars Guggisberg (SVP/BE). Er sprach von einem «unseriösen Hüftschuss» der APK-N.

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Heinz Siegenthaler (Mitte/BE) plädierte dafür, zuerst einmal die erst gerade gesprochene Kohäsionsmilliarde umzusetzen. Der Vorschlag sei zwar «gut gemeint, aber er kommt nicht gut». Das Problem in der Beziehung mit der EU sei nicht das Geld, sondern der Abbruch der Verhandlungen um ein institutionelles Rahmenabkommen.

Sympathien von Links – Unverständnis bei Maurer

Es sei im Interesse der Schweiz, nun «proaktiv und mit konkreten Vorschlägen» auf die EU zuzugehen, argumentierte dagegen die aussenpolitische Kommission, dazu APK-Mitglied Roland Fischer von den Grünliberalen: «In dieser Blockade will die APK dem Bundesrat ein Instrument in die Hand geben, damit er etwas mehr Handlungsspielraum in den Verhandlungen mit der EU hat. (...) Wenn der Bundesrat nicht handelt, muss es das Parlament tun.»

Auch von den Grünen und den Sozialdemokraten gab es viel Sympathie für die doppelte Milliarde. Sie sei ein gutes Mittel, den Weg mit der EU etwas weniger steinig zu machen, argumentierte etwa die SP. Mit diesem Signal müsse die Schweiz im Januar auch nicht mit leeren Händen an das Treffen zwischen Aussenminister Cassis und dem zuständigen EU-Vertreter gehen.

Wir würden dann wohl ausgelacht und gar nicht mehr ernst genommen.
Autor: Ueli Maurer Bundesrat

Finanzminister Ueli Maurer warnte sogar vor einer weiteren Zahlung an die EU: Er äusserte die Befürchtung, dass sich die Schweiz bei einer Verdoppelung des Kohäsionsbeitrags blamieren würde. «Wir würden dann wohl ausgelacht und gar nicht mehr ernst genommen.» Die Nichtassoziierung der Schweiz bei den EU-Forschungsprogrammen sei eines der grössten aussenpolitischen Probleme, gab Maurer zu. «Mit diesem Schnellschuss leisten Sie der Schweiz aber keinen guten Dienst.» Wer diesem Plan zustimme habe auch keine Strategie, konterte er Vorwürfe, der Bundesrat sei nicht handlungsfähig.  

Schliesslich stimmten nur die SP, die Grünen und die GLP sowie einzelne FDP- und Mitte-Vertreterinnen und -Vertreter für den Antrag der APK-N.

Rendez-vous, 1.12.2021, 12.30 Uhr ; 

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