Finanzierung des Wahlkampfs Ja zu Transparenz, aber kaum jemand legt sein Budget offen

Die Kandidierenden für den Nationalrat wollen mehr Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs. Doch selbst geben sie kaum Auskunft über ihre Budgets.

Bei den Kandidierenden für den Nationalrat scheint Transparenz immer wichtiger zu werden. Die Zustimmung für die Transparenz-Frage auf der Politplattform Smartvote hat gegenüber 2015 zugenommen, wie eine Analyse von SRF Data zeigt. Rund 77 Prozent aller Kandidierenden befürworten 2019 ganz oder teilweise die Offenlegung der Finanzierung von Parteien sowie Wahl- und Abstimmungskampagnen. Das sind 11 Prozentpunkte mehr als vier Jahre zuvor.

Transparenz der Politikfinanzierung in der Schweiz

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Die Schweiz ist das einzige europäische Land ohne Transparenzregelung für die Finanzierung von Parteien, Wahlen und Abstimmungen. Die 2016 lancierte Transparenz-Initiative möchte dies ändern. Spenden über 10’000 Franken sollten dabei offengelegt werden. Das Vorhaben ist jedoch weiterhin umstritten. So hat sich der Bundesrat 2018 klar dagegen ausgesprochen.

Für ihre Intransparenz in der Politik wird die Schweiz regelmässig kritisiert von der Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO). So bedauert GRECO auch in diesem Wahlkampf der Parlamentswahlen am 20. Oktober den Mangel an Transparenz.

Der Trend in den letzten Jahren zeigt jedoch immer mehr in Richtung Transparenz. Bereits fünf Kantone (Freiburg, Neuenburg, Schwyz, Tessin und Genf) haben Regeln in diesem Bereich eingeführt. Ebenso hat der Ständerat im Frühling beschlossen, dass Parteien sowie Wahl- und Abstimmungskomitees ihre Finanzen offenlegen sollen. Spenden ab 25'000 Franken sollen künftig deklariert werden.

Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz, ist nicht überrascht über dieses Ergebnis. Dieser Wandel entspräche einem generellen Trend, der insbesondere auch in der Bevölkerung zu beobachten sei.

Markantestes Beispiel dafür ist die CVP, wo die Zustimmung der Kandidierenden innert vier Jahren um über 40 Prozentpunkte zugenommen hat. Dies, obschon sich die Partei immer wieder gegen das Transparenzgebot gestellt hat. Nur die Kandidierenden der SVP und FDP sind 2019 noch mehrheitlich gegen eine Offenlegung der Parteifinanzierung.

In den Kommentarfeldern der Antworten finden sich die wichtigsten Argumente der Kandidierenden und ihren Parteien. Hier eine Auswahl:

Pro Transparenz

  • «Das Schweizer Stimmvolk sollte erfahren, wie viel Geld Parteien in ihre Kampagnen investieren und von wem grössere Beträge stammen. Jede Partei die sich dagegen wehrt, hat etwas zu verheimlichen.»
  • «Die Bevölkerung weiss heute nicht, wer die Parteien und Abstimmungskampagnen finanziert und dabei welche Interessen vertritt. Transparenz in diesem Bereich ist für eine Vorzeige-Demokratie wie die Schweiz wichtig.»
  • «Im Rahmen der Meinungsbildung ist es richtig, wenn sich Geldgeber entsprechend outen müssen.»

Kontra Transparenz

  • «Letztlich ist es den Spendern und Gönnern unbenommen, ihre Mittel allgemein so einzusetzen, wie sie es für richtig befinden. Diese Privatsphäre muss erhalten bleiben.»
  • «Dies sollte von der entsprechenden Organisation oder Partei eigenständig entschieden werden können.»
  • «Die Privatsphäre von Spendern muss gewahrt bleiben. Das garantiert eine unabhängige Politik. Viele Spenden würden versiegen, weil die Spender Konsequenzen von radikalen Gruppierungen befürchten würden.»

Schweigen beim eigenen Wahlkampfbudget

Allerdings: Auf Smartvote kommt die grosse Mehrheit der Kandidierenden, die Transparenz in der Politik grundsätzlich befürworten, nicht ihrer eigenen Forderung nach. Rund 67 Prozent der Befürworter von vollständiger Transparenz geben bei der Smartvote-Umfrage ihr persönliches Wahlkampfbudget nicht freiwillig bekannt. Vier Jahre zuvor waren es sogar 86 Prozent, die die optionale Frage nicht ausgefüllt haben.

Für Hilti kommen dafür zwei Erklärungen in Betracht: «Entweder handelt es sich tatsächlich bloss um Lippenbekenntnisse oder die betreffenden Kandidierenden erwarten die Offenlegung durch alle.» Umso wichtiger wäre deshalb eine verbindliche Regulierung für alle, wie sie die Transparenz-Initiative vorsieht, sagt Hilti.

Eine andere Möglichkeit könnte sein, dass viele Kandidierende über kein Budget verfügen und deshalb nichts angeben. So oder so: Die freiwillige Budget-Offenlegung über Tools wie Smartvote reicht offensichtlich noch nicht, um Transparenz in den Wahlkampf zu bringen.

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