Detailhandel in Corona-Zeiten Jelmoli-Chefin Nina Müller ist gegen Corona-Rabattschlacht

Nina Müller hätte sich wohl einen besseren Start gewünscht: Am 1. April mitten im Corona-Lockdown hat sie ihr Amt als neue Jelmoli-Chefin angetreten. Sie erzählt, wie sie in dieser schweren Zeit die Wiedereröffnung des Zürcher Traditionswarenhauses anpackt – in einer Branche, die vorher schon unter Druck stand.

Nina Müller

Chefin Jelmoli

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Die 50-jährige Marketingexpertin aus Österreich war vor ihrem Chefposten bei Jelmoli von 2016-2019 Chefin von Uhren & Schmuck Christ, einer Coop-Tochter. Zuvor machte sie beim Schmuck- und Kristallunternehmen Swarowski Karriere. Begonnen hat Müllers Laufbahn beim Strumpfhersteller Wolford.

SRF News: Seit sechs Wochen ist Ihr Warenhaus – wie viele andere Geschäfte – mehrheitlich geschlossen. Was bedeutet das in Zahlen?

Nina Müller: Der Umsatzrückgang ist dramatisch. In unserem Warenhaus ist erst ein Bruchteil der Verkaufsfläche wieder geöffnet: der Lebensmittelmarkt, Teile des Beautyshops und seit Montag auch wieder der Coiffeursalon sowie der Blumenladen. Das macht unsere Verluste natürlich nicht wett. Konkrete Zahlen nennen wir keine. Ich rechne erst im nächsten Jahr wieder mit einem stabilen Ergebnis.

Sind Entlassungen möglich?

Natürlich ist es jetzt extrem wichtig, Kosten zu sparen, und wir überlegen uns sämtliche Massnahmen. Entlassungen sind im Moment aber kein Thema. Wir hoffen, über das tolle und soziale System der Kurzarbeit durch die Krise zu kommen.

Einige rechnen nach der Wiedereröffnung der Läden mit einer «Rabattschlacht», weil die Lager voll sind. Machen Sie da mit?

Klar gibt es ein paar Eröffnungsangebote. Doch ein genereller Ausverkauf mit neuen Artikeln ist vorläufig nicht geplant. Ich hoffe, dass sich der Detailhandel auch daran hält. Wenn wir jetzt mit einer Rabattschlacht starten, tut das der Branche nicht gut. Wir hoffen, dass wir unsere Kollektionen zu normalen Preisen verkaufen können.

Die Menschen haben sich jetzt daran gewöhnt, alles im Internet einzukaufen. Kommen die Konsumenten überhaupt noch zu Ihnen?

Warenhäuser wird es immer geben, wenn vielleicht auch nicht mehr alle. Wir selber sind in einem starken Prozess der Veränderung. Unser Ziel ist es, ein relevantes «Omni-Channel»-Warenhaus zu werden, also eine Kombination aus Shopping vor Ort und online.

Ich hoffe, dass man sich nicht mehr jeden Ramsch aus China ins Haus liefern lässt.

Das Angebot in Ihrem Online-Shop ist reduziert.

Wir sind dran, ihn neu zu lancieren. Der Neustart ist im Herbst. Das Thema Digital ist für Jelmoli sehr wichtig. Es ist eines unserer strategischen Projekte. Seit der Coronakrise sind wir noch mehr mit Hochdruck dran und haben dazugelernt.

Werden die Menschen nach Corona anders einkaufen?

Ja, ich denke, das Konsumverhalten ändert sich. Wir werden nicht zu einer Vor-Corona-Zeit zurückkehren. Ich glaube aber sehr stark daran, dass man nach wie vor konsumieren wird – wahrscheinlich bewusster. Ich hoffe persönlich, dass man sich besser überlegt, was und wie oft man einkauft, und dass man sich nicht mehr jeden Ramsch aus China ins Haus liefern lässt.

Das Interview führte Harry Stitzel.

Die bewegte Geschichte von Jelmoli

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Gegründet 1849 wuchs Jelmoli zur schweizweiten Warenhaus-Kette mit derzeit 600 Mitarbeitern. In den 1990er-Jahren zog sich das Unternehmen wegen rückläufiger Geschäfte immer mehr aus dem Kerngeschäft zurück und schloss alle Filialen bis auf das Traditionshaus an der Zürcher Bahnhofstrasse.

2009 wurde die in der Detailhandels- und Immobilienbranche tätige Jelmoli Holding vom Schweizer Immobilienkonzern Swiss Prime Site übernommen.

In den vergangenen Jahren verzeichnete Jelmoli – wie die meisten Warenhäuser – einen Umsatzrückgang. 2019 betrug der Umsatz noch 226 Millionen Franken.

Jelmoli positioniert sich seit ein paar Jahren vermehrt im Luxussegment – vorangetrieben vom früheren Chef Franco Savastano, der 2019 zum Konkurrenten Globus wechselte.

ECO, 27.4.20, 22:25 Uhr

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