- Medikamente basieren häufig auf pflanzlichen Wirkstoffen.
- Dabei finden in der heutigen Forschung und Herstellung oftmals keine echten Pflanzenteile mehr Verwendung, sondern die entschlüsselten Gensequenzen von Pflanzen.
- Viele dieser Pflanzen stammen aus Ländern des globalen Südens – und westliche Unternehmen verdienen daran.
An der UNO-Biodiversitätskonferenz vor zwei Jahren war man sich einig: Nicht nur die Pharmaunternehmen sollen von diesen Medikamenten profitieren, sondern auch jene Länder, aus denen die Pflanzen ursprünglich kommen. Wie das konkret gehen soll, wird an der diesjährigen Biodiversitätskonferenz im kolumbianischen Cali diskutiert.
Wenn ein Unternehmen ein Medikament aus einer Pflanze entwickelt, muss es sich an die seit zehn Jahren existierenden internationalen Regeln halten und das Ursprungsland am Gewinn teilhaben lassen. Öffentliche Forschung und Pharma nutzen jedoch zunehmend nicht mehr echte Pflanzen, sondern deren digitale Gensequenzen – und diese in grossen Mengen.
Ein Fonds in Milliardenhöhe
Da sei es unmöglich, mit jedem Ursprungsland einzeln über die Nutzung zu verhandeln, sagt Eva Spehn vom Forum Biodiversität der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften. Der Entscheid der Staatengemeinschaft von 2022, einen multilateralen Mechanismus zu schaffen, sei deshalb ein grosser Fortschritt. Bei der konkreten Umsetzung, das heisst bei der Einrichtung des entsprechenden Fonds, stellten sich nun aber eine ganze Reihe schwieriger Fragen.
Soll man dem Pharmasektor einfach sagen, sie müssten so und so viel von ihrem Umsatz abgeben?
«Wo soll der Topf stehen?», fragt Spehn etwa. Und: «Wer verwaltet ihn? Wer zahlt ein? Soll das freiwillig passieren? Oder soll man eine Liste machen von Firmen, die einzahlen müssen? Soll man dem ganzen Pharmasektor einfach sagen, sie müssten so und so viel von ihrem Umsatz abgeben? Und wofür soll das Geld eingesetzt werden?»
Nebst Wissenschaftlerinnen wie Eva Spehn sind in Kolumbien auch Vertreterinnen der Industrie wie Daphne Yong-d'Hervé. Sie ist die Politikverantwortliche bei der Internationalen Handelskammer ICC und setzt sich für die Interessen der Industrie ein. Pharmaunternehmen seien sehr interessiert an einer Einigung. Wichtig sei aber, dass der neue Mechanismus rechtliche Sicherheit biete.
Das Geld für den Fonds – die Rede ist von mehreren Milliarden US-Dollar pro Jahr – müsse von möglichst vielen Seiten kommen. Und die Kosten für die Unternehmen dürften nicht zu hoch sein, sonst würde deren Interesse an Innovation auf Basis der Biodiversität schwinden. Vertreter von Ländern des Südens und von Umweltorganisationen fordern derweil die Länder des Nordens und die Pharmaindustrie auf, grosszügig in den zu schaffenden Fonds einzuzahlen.
Ansatzpunkte für eine Einigung
Die Positionen in Cali liegen weit auseinander. Die Befragten bezweifeln, dass bis Ende der kommenden Woche eine Einigung zustande kommt. So gibt es etwa ganz unterschiedliche Vorschläge, wie Geld in den Topf fliessen soll. Soll die Industrie dazu verpflichtet werden, einen Prozentsatz ihres Umsatzes in den Topf zu geben? Oder soll sie doch eher einen Beitrag bezahlen, der davon abhängt, wie stark das Unternehmen digitale Gensequenzen nutzt?
Auch die Politik spielt mit. In Cali laufen verschiedenste Verhandlungen parallel. Wenn es eine Einigung in einem anderen Bereich gibt, mit der die Länder des Südens zufrieden sind, könnten diese vielleicht eher Hand zu einer Lösung auch in diesem Bereich bieten. Eine Überraschung ist möglich.