Wirtschaft Europäisches Bankensystem ist nicht krisenrobust

Italiens Banken haben nach offiziellen Angaben faule Kredite in Höhe von 360 Milliarden Euro angehäuft. Die Krise in Italien ist kein Einzelfall – die Probleme im europäischen Bankensystem sind struktureller Natur. In Italien verschärfen jedoch hausgemachte Probleme die Situation.

«Man hat es in Europa verpasst, nach der Finanzkrise grundlegende strukturelle Reformen anzugehen und durchzuführen, auch wenn sie schmerzhaft sind», so Manuel Ammann, Professor am Institut für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen.

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Die Probleme der italienischen Banken seien keineswegs neu. Im Prinzip sei man gleich weit wie bei der Finanzkrise, die mit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 ihren Höhepunkt erreichte.

Italien-spezifische Probleme

Italienische Banken leiden unter einem grösser werdenden Berg von notleidenden Krediten – Schuldner bezahlen die Zinsen nicht mehr. Bei fast jedem fünften Kredit in Italien ist die Rückzahlung in Gefahr. Die faulen Kredite sollen sich insgesamt auf 360 Milliarden Euro belaufen – was einem Drittel der gesamten Problemdarlehen in der Eurozone entspricht.

Italien leidet seit Jahren unter der schwächelnden Wirtschaft. Dadurch geraten viele Unternehmen in Schwierigkeiten und können Kredite nicht mehr zurückzahlen.

Interessenskonflikt der EZB

Allerdings seien auch zu viele und nicht gute Kredite vergeben worden. Dazu hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) beigetragen: Die expansive Geldpolitik animiert Banken, mehr Kredite zu vergeben.

Gleichzeitig kommt der EZB in der Europäischen Union auch die Rolle der Bankenaufsicht zu. In dieser Rolle sollte sie die Kreditvergabe eigentlich kritisch prüfen und kontrollieren. Der Interessenskonflikt habe wohl dazu beigetragen, dass nicht mehr so streng kontrolliert wurde, so Professor Ammann.

Das Problem lasse sich nicht auf die Schnelle lösen, sagt Ammann. Vielmehr müssten endlich die notwendigen Restrukturierungen durchgeführt werden. Dabei würden auch einige italienische Banken von der Bildfläche verschwinden, da sie schlichtweg zu ineffizient seien. Die verbleibenden Banken müssten zwingend mit mehr Eigenkapital ausgestattet werden, um krisenresistenter zu sein.

Wer den Nutzen hat aus einer Investition, der sollte auch den Schaden tragen, wenn es zu einer Krise kommt.
Autor: Manuel Ammann Professor am Lehrstuhl für Finance an der Universität St.Gallen

Die italienische Regierung will den Banken mit staatlichen Hilfsgeldern unter die Arme greifen. Dies widerspreche jedoch nicht nur den neuen EU-Bankenrichtlinien, sondern verstosse auch gegen ein marktwirtschaftliches Gesetz: «Wer den Nutzen hat aus einer Investition, der sollte auch den Schaden tragen, wenn es zu einer Krise kommt.», so Ammann. In erster Linie müssten Eigentümer und die Gläubiger für den Schaden aufkommen.

Politischer Aspekt

Bei den italienischen Regionalbanken halten viele Sparer deren Anleihen – was dem Ganzen politische Brisanz verleiht. Setzt Regierungschef Matteo Renzi die EU-Regeln um, verlieren die Kleinanleger ihr Geld.

Renzi wiederum steht innenpolitisch unter Druck: Sollte er eine von ihm angesetzte Volksabstimmung im Oktober verlieren, sind Neuwahlen kaum zu vermeiden. Europaskeptische Parteien wie die Fünf-Sterne-Bewegung könnten dann deutliche Zuwächse verbuchen.

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