Das «Phantom» war in Genf Kameruns greiser Präsident taucht nach 49 Tagen wieder auf

Das älteste Staatsoberhaupt der Welt war wochenlang verschollen. Nun ist Paul Biya zurück – er war in seinem Refugium in der Schweiz.

Argentinien und England kämpfen um die Falklandinseln, die deutsche Schlagersängerin Nicole gewinnt mit «ein bisschen Frieden» den Grand Prix d’Eurovision und Steven Spielberg erobert mit «E.T. – Der Ausserirdische» die Kinos: Als Paul Biya 1982 Präsident von Kamerun wurde, war die Welt eine andere.

Mittlerweile regiert er das zentralafrikanische Land seit 42 Jahren. Und trotz seines fortgeschrittenen Alters von 91 Jahren ist er immer noch für eine Überraschung gut: Für ganze 49 Tage weilte der Präsident im Ausland, sein Aufenthaltsort war das bestgehütete Geheimnis Kameruns.

Biya in Pekng mit Xi Jinping und den Frauen der Staatschefs.
Legende: Zuletzt trat Biya Anfang September öffentlich auf: Beim Gipfeltreffen zur afrikanisch-chinesischen Kooperation in Peking. Danach verpasste er unter anderem die UNO-Generalversammlung in New York. Imago/Ding Lin

Sogar musikalisch wurde nach dem verschollenen Staatschef «gefahndet»: Mit dem Rapsong «Rentre à la maison Président» wurde Biya aufgefordert, in die Heimat zurückzukehren. Vorausgesetzt, dass er dafür noch in der Lage sei – oder überhaupt noch am Leben, wie sich immer mehr Menschen im Land fragten.

Am Montag wurde das Geheimnis schliesslich gelüftet: «Was wir hier sehen, ist kein Phantom, es ist Präsident Paul Biya», berichtete der Staatssender CRTV vom Flughafen in Jaunde. Biya habe sich in den letzten Wochen in einem Hotel in Genf aufgehalten. In den Strassen der Hauptstadt winkten jubelnde Anhängerinnen und Anhänger dem Autokorso des Präsidenten zu.

Das «Phantom» ist zurück, doch die Debatte geht weiter: Wie geht es Kameruns Präsidenten? Im Land selbst wird diese Frage aber nur hinter vorgehaltener Hand gestellt. Denn seit letzter Woche ist es verboten, über Biyas Gesundheitszustand zu spekulieren. Wer gegen die Anweisung verstosse, werde die harte Hand des Gesetzes spüren, teilte der zuständige Minister mit.

Was alle sehen, darf niemand ansprechen

Biya ist ein gebrechlicher Mann. Bei öffentlichen Auftritten wirkt er seit Jahren gesundheitlich angeschlagen, oft schläfrig, teilweise konfus. Details über seinen Gesundheitszustand gibt die Regierung aber nicht preis. Und das aus gutem Grund, wie Fabian Urech, Afrika-Korrespondent von SRF, berichtet: «Denn nächstes Jahr finden in Kamerun Wahlen statt und es wird damit gerechnet, dass Biya erneut antritt.»

Paul Biya 202 in Washington DC
Legende: Genf ist seit Jahrzehnten die Lieblingsdestination des Langzeitpräsidenten. Immer wieder mietet er sich in einer ganzen Etage eines Luxushotels ein und lässt sich pflegen. Getty Images/Kevin Dietsch

Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Wie es weitergeht, sollte der Methusalem unter den Staatschefs im Amt versterben, ist völlig unklar. Mit dem fortschreitenden Alter des Präsidenten drohe aber auch die politische Lage im Land instabil zu werden, schätzt Urech. Deswegen wolle die Regierung verhindern, dass schlechte Presse und Gerüchte über Biyas Gesundheit die Runde machten.

Autoritäre Regierung in Kamerun

Box aufklappen Box zuklappen
«Die Kraft der Erfahrung»: Biyas Wahlkampfslogan im Jahr 2018.
Legende: «Die Kraft der Erfahrung»: Biyas Wahlkampfslogan im Jahr 2018. Keystone/Nic Bothma

Biya ist seit 1982 Präsident des zentralafrikanischen Landes mit mehr als 28 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Länger als er ist weltweit nur Diktator Teodoro Obiang Nguema Mbasogo in Kameruns Nachbarland Äquatorialguinea an der Macht.

Obwohl Biya ein Mehrparteiensystem zuliess und regelmässige Wahlen stattfinden, gilt er als autoritärer Machthaber, dessen Apparat mit Gegnern hart umspringt. Die Nichtregierungsorganisation Freedom House bewertet Kamerun mit einem Wert von 15 von 100 als unfrei. (dpa)

Dass die Regierung unzimperlich mit Menschen umgeht, die trotzdem kritische Fragen stellen, zeigte sich im Sommer: Zwei Influencer warfen die Frage auf, ob Biya noch fit für das Präsidentenamt sei. Die beiden wurden prompt verhaftet. Die Anwälte eines der Verhafteten erklärten, ihr Mandant sei im Gefängnis gefoltert worden. «Solche Geschichten führen dazu, dass man im Zweifelsfall doch eher schweigt», sagt Urech.

Der ewige Präsident

Ausdruck von massiver Opposition der Bevölkerung gegen Biya ist die Episode aber nicht. Denn nach über vier Jahrzehnten an der Macht kennen die meisten Menschen schlichtweg nichts anders als «Präsident Paul Biya».

Junger Mann entsorgt Flaschen in Jaounde.
Legende: Das Durchschnittsalter in Kamerun beträgt gerade einmal 17.5 Jahre: Kinder, Eltern und sogar Grosseltern kannten nie einen anderen Präsidenten als Paul Biya. Keystone/Nic Bothma

«Das macht es für viele Menschen schwer, sich eine Alternative vorzustellen», schliesst der Korrespondent. Und letztlich schätzten wohl viele Menschen die relative Stabilität im Land, das von Krisenherden wie dem Tschad und dem Norden Nigerias umgeben ist.

SRF 4 News, 24.10.2024, 6:44 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel