Aufnahme von Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras.
Legende: Hat sich Rückendeckung bei der Bevölkerung und der Opposition geholt: Ministerpräsident Alexis Tsipras. Keystone/Archiv

International «Tsipras hat seine Trümpfe ausgespielt»

Athen ist es nun offenbar doch ernst mit einem Kompromiss. Das zeigen die neuen Reformvorschläge der griechischen Regierung an die Gläubiger. Journalistin Corinna Jessen sagt, wie das Einlenken von Ministerpräsident Alexis Tsipras zu erklären ist.

Corinna Jessen

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Corinna Jessen bei TV-Schaltung nach Athen mit Mikrofon.

Corinna Jessen ist freie Journalistin in Athen, Korrespondentin für mehrere deutschsprachige Tageszeitungen und Mitarbeiterin des ZDF. Sie ist in Athen geboren und aufgewachsen. Studiert hat sie in Deutschland.

SRF News: Wieso ist Griechenland jetzt plötzlich zu Massnahmen bereit, welche das Land vor zwei Wochen noch abgelehnt hat?

Corinna Jessen: Zum einen hat Ministerpräsident Alexis Tsipras seine Trümpfe ausgespielt. Er musste einsehen, dass die Verhandlungspartner ein Grexit als ernsthafte Option in Erwägung ziehen. Zum anderen hat sich Tsipras mit dem Referendum Rückendeckung verschafft – auch durch die Oppositionsparteien. Er bat sie zu sich, sie gaben ihm ihre Zustimmung für diese Form von Verhandlungen. Tsipras ist es gelungen, seinen Stand innenpolitisch erheblich auszubauen. In dieser Position könnte er nun sogar Abtrünnige in seiner eigenen Partei verkraften.

Erst am Sonntag sagte die griechische Bevölkerung auf Empfehlung der Regierung deutlich Nein zum Spar- und Reformprogramm. Wie will Tsipras seinem Volk nun erklären, dass es sich hierbei doch um ein gutes Paket handelt?

Das Gefühl des Triumphs über das deutliche Nein, mit dem die Griechen ein – weniger hartes – Sparpaket abgelehnt haben, ist über Nacht einer Katerstimmung gewichen. Sehr plötzlich wurde den Griechen klar, dass die Antwort auf ihr Nein tatsächlich ein Ausscheiden aus der Euro-Zone und gar ein Ausschluss aus der EU bedeuten könnte. Diese Einsicht hat die Akzeptanz der Sparmassnahmen wieder steigen lassen.

Die Akzeptanz der Sparmassnahmen ist wieder gestiegen.

Das heisst aber auch, dass die griechische Regierung hoch gepokert und nun verloren hat?

Sie hat zumindest in zwei Punkten eindeutig verloren. Noch bis zur vergangenen Woche hatte Tsipras auf zwei Annahmen gesetzt, die beide schliesslich nicht eintrafen: Einerseits blieben tsunamiartige Turbulenzen an den Finanzmärkten aus, obwohl Griechenland seine Schulden gegenüber dem IWF nicht fristgerecht bezahlte und somit offiziell bankrott ging.

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Andererseits knickte die EU aus Angst vor einem Domino-Effekt nicht ein. Diese Entwicklungen haben die Strategie von Tsipras und vor allem von seinem ehemaligen Finanzminister Yanis Varoufakis über den Haufen geworfen. Letzterer musste nicht zuletzt deswegen auch den Hut nehmen. Nun bemüht sich Tsipras mit Varoufakis' Nachfolger Efkleidis Tsakalotos um ernsthaftere Verhandlungen.

In den letzten Wochen warf man Tsipras immer wieder vor, er wolle nicht ernsthaft mit Brüssel verhandeln. Das hat sich nun also geändert?

Die Zeit des Pokerns ist vorbei. Aus diesem Grund hat Tsipras nun auch versucht, seine Position in der Bevölkerung und bei den Oppositionsparteien zu festigen.

Das Gespräch führte Barbara Peter.

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