Meilenstein Mondlandung «Fly me to the Moon»: Eine Mission wird zum Live-Spektakel

Die Mondlandung vor 55 Jahren sprengte jegliche menschliche Vorstellungskraft. Um ein Haar wäre die Mission gescheitert.

Es gibt Ereignisse, die sich tief in das kollektive Gedächtnis einbrennen. Momente, die die Welt verändern. Einer davon ereignete sich am 21. Juli 1969: ein Tag, von dem behauptet werden kann, dass er die Menschheit vereinte und den Blick in den Weltraum freigab.

Rund 500 bis 600 Millionen Menschen verfolgten die erste Mondlandung live an den Bildschirmen. Radio- und Fernsehsender auf der ganzen Welt kommentierten den Moment, als Neil Armstrong zögernd die Leiter des Raumfahrzeugs hinunterkletterte und als erster Mensch den Mond betrat, gefolgt von Edwin «Buzz» Aldrin.

100 Jahre Weltgeschichte im Radio

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Die einzelnen Beiträge der Sommerserie «100 Jahre Weltgeschichte im Radio – Was Sie und uns bewegt» sind seit Montag, 8. Juli, bis Freitag, 9. August, jeweils um 13 Uhr auf Radio SRF 1 und Radio SRF 4 News sowie auf den Online-Plattformen von Radio SRF zu hören.

Die Sommerserie ist Teil des SRF-Highlights «Faszination Medien» . Dabei finden im August Erlebnistag in den SRF-Studios für Sie statt. Wollen Sie dabei sein? Mit einem Klick auf den entsprechenden Link können Sie an der Verlosung teilnehmen:

Wacklige Bilder

Die Worte «That's one small step for man, one giant leap for mankind» hallten weltweit durch die Wohnzimmer. Auch ein Hörer von Radio SRF erinnert sich an die Sommernacht 1969. Bernhart Vögeli war damals elf Jahre alt. Die Familie fuhr extra nach Arosa in ihre Ferienwohnung, um das Spektakel zu verfolgen, denn zu Hause gab es keinen Fernseher.

An die Landung selbst kann er sich nicht mehr erinnern, wohl aber an den Ausstieg der Astronauten. «Die Eltern haben uns mitten in der Nacht aus dem Bett geholt, und wir haben alle zusammen live miterlebt, wie die Astronauten aus der Rakete gestiegen sind.»

Vögeli erzählt, dass er als Kind von den wackligen Bildern, die über den Bildschirm flimmerten, enttäuscht war. Beeindruckend sei aber der spürbare Einfluss der Mondlandung auf die ganze Gesellschaft gewesen. Sätze wie «Heute zählen kleine Kinder auf Englisch von zehn bis null, noch bevor sie sich die Schuhe zubinden können» oder «Heute fahren wir, morgen fliegen wir» waren überall zu hören. Eine solche Euphorie habe Bernhart Vögeli seither selten erlebt.

Es war ein Moment, der die Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft sprengte und zeigte, wozu die Menschheit fähig ist. Eine Erfolgsgeschichte, nach der es lange Zeit nicht aussah.

Eine irrwitzige Mission

Eigentlich war die Apollo-Mission ein Ding der Unmöglichkeit. Acht Jahre vor der tatsächlichen Mondlandung gelang es den Amerikanern gerade einmal, einen Astronauten für 15 Minuten auf eine Höhe von 187 Kilometern zu befördern. Verglichen mit der Entfernung von 384’400 Kilometern zum Mond war das nicht einmal ein Zweitausendstel der Strecke.

Doch mit den Raumfahrtprogrammen «Mercury» (1961-63), «Gemini» (1965-66) und schliesslich «Apollo» (1967-72) näherte sich die Nasa Schritt für Schritt dem grossen Ziel. Mehr als 400’000 Menschen waren Mitte der 1960er-Jahre am Projekt beteiligt, die Gesamtkosten beliefen sich nach heutiger Kaufkraft auf 112 Milliarden Dollar – eine astronomische Summe.

Raketeneinschussrampe mit aufsteigender Rakete und Rauch.
Legende: Die Apollo-11-Mission war auch ein politischer Erfolg für die USA im Wettstreit gegen die Sowjetunion. Die Sowjets konnten zuvor Erfolge verbuchen, etwa mit dem Sputnik-Satelliten (1957) und dem ersten Menschen im All (Yuri Gagarin, 1961). NASA

Zu Beginn war «Apollo» ein improvisiertes Programm: eine kurzfristige Aktion, die nicht von langer Hand geplant war. Den Startschuss gab Präsident John F. Kennedy, der kurz nach seinem Amtsantritt 1961 innen- und aussenpolitisch unter Druck stand. Nachdem die Sowjetunion als erste Nation einen Menschen ins All geschossen hatte, sah sich der junge Präsident zum Handeln gezwungen und musste ebenfalls etwas Spektakuläres aus dem Ärmel zaubern.

Amerika als erste Nation auf dem Mond, das schien ihm eine durchaus plausible Option, auch wenn er persönlich kein Weltraumfan war. Kennedys Ankündigung, bis zum Ende des Jahrzehnts auf dem Mond zu landen, galt damals als irrwitzig.

Wem gehört der Mond?

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Immer mehr Nationen und Unternehmen drängen zum Erdtrabanten. Vor mehr als einem halben Jahrhundert lieferten sich die USA und die Sowjetunion einen Wettlauf, wer zuerst auf dem Mond sein würde.

Nachdem den Amerikanern vor 55 Jahren als Ersten die Landung gelang, zogen vier weitere Nationen nach: Russland, China, Indien und Japan. In den letzten fünf bis zehn Jahren hat ein regelrechtes Wettrüsten im All begonnen. Es geht um strategische Interessen, um permanente Stationen und nicht zuletzt um Rohstoffe.

Doch warum dieser Aufwand? Der Mond gilt unter anderem als logische Zwischenstation auf dem Weg zum Mars. «Vom Mond zur Erde braucht man ein paar Tage. Vom Mars braucht es zwei Jahre oder mehr», sagt Astrophysiker Thomas Zurbuchen. Eine permanente Mondbasis würde bedeuten, dass nicht alle Ressourcen direkt von der Erde zum Mars oder zu anderen weiter entfernten Zielen transportiert werden müssten, sondern auf dem Mond ein Zwischenstopp eingelegt werden könnte, um Treibstoff sowie andere Güter aufzuladen.

Interessant ist auch Helium-3, das auf der Erde nur in geringen Mengen vorkommt. «Helium-3 ist vor allem für Fusionsreaktoren auf der Erde wichtig», erklärt Zurbuchen. Fusionsreaktoren wären eine Weiterentwicklung der Kernkraftwerke. «Fusionsreaktoren würden das Ende aller Energiekrisen bedeuten», so Thomas Zurbuchen. Schon heute gibt es erste Firmen, die das Gas vom Mond abtransportieren wollen.

Teamarbeit statt Einzelleistung

Wenn heute von der Mondlandung die Rede ist, fallen vor allem die Namen Neil Armstrong und Buzz Aldrin. Doch wer waren die Menschen im Kontrollraum in Houston, dem Herzstück der «Apollo»-Mission?

Die Männer, die in den Dokumentationen der Mondlandung mit konzentrierten Gesichtern über den Bildschirm flimmern, waren im Durchschnitt gerade einmal 27 Jahre alt. Viele von ihnen wurden Anfang der 60er-Jahre im Alter von 21 Jahren von der Nasa rekrutiert. Junge Menschen, denen die Skepsis fehlte, die «Apollo»-Mission für unmöglich zu halten. Wären sie sich der Hürden voll bewusst gewesen, hätten sich einige vielleicht nicht darauf eingelassen. Ihre Naivität scheint jedoch der Schlüssel zum Erfolg gewesen zu sein.

Im Kontrollzentrum herrschte ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Das Ziel war es, gemeinsam Lösungen für die Probleme zu finden und nicht einen Schuldigen zu benennen. Wenn jemand einen Fehler machte, wurde dies direkt kommuniziert und gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Der Einzelne spielte keine Rolle; was zählte, war die gemeinsame Sache.

Anders stand es um die drei Astronauten. «Wenn man sich die Bilder der drei Astronauten anschaut, sehen sie so pseudomilitärisch und gleich aus», sagt der emeritierte Physiker Johannes Geiss. «In Wirklichkeit waren sie sehr unterschiedlich. Sie waren Individualisten, die zwar eigenständig handeln konnten, sich aber auch in eine grosse Maschinerie einfügen mussten. Anders hätte die Mission nicht funktionieren können.»

Ein wenig Schweiz auf dem Mond

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«Die Schweiz verfügt über eine beeindruckende Anzahl technisch hochintelligenter Instrumente», betont der Astrophysiker Thomas Zurbuchen, er war zuvor als Forschungsleiter bei der Nasa tätig. «Das beste Massenspektrometer, das jemals im Weltraum eingesetzt wurde, sowie die derzeit beste Kamera, die den Mars umkreist, sind Schweizer Konstruktionen».

Auch bei der ersten Mondmission vor 55 Jahren war eine Schweizer Erfindung dabei. Das Sonnensegel der Universität Bern konnte sich durchsetzen und wurde zusammen mit zwei weiteren Experimenten auf den Mond geschickt. Johannes Geiss, Professor am physikalischen Institut der Universität Bern, leistete enorme Überzeugungsarbeit, sodass seine «Swiss Flag», wie das Sonnensegel auch genannt wurde, von Buzz Aldrin noch vor der amerikanischen Flagge in den Mondboden gesteckt wurde.

Die aufgespannte Aluminiumfolie fing während einer gewissen Zeit Partikel des Sonnenwindes ein, die später in den Berner Labors ausgewertet wurden. Dabei wurde unter anderem Helium-3 auf dem Mond nachgewiesen, das direkt von der konvektiven Oberfläche der Sonne stammt.

Eine neuere Schweizer Erfindung, die mit auf den Mond soll, ist der Laufroboter «LunarLeaper». «Wenn wir die Mondoberfläche aus dem Orbit beobachten, sehen wir an einigen Stellen des Mondes regelrechte Löcher im Boden und glauben, dass es sich dabei um die eingestürzte Decke eines Lavatunnelsystems handelt», erklärt die planetare Geophysikerin Anna Mittelholz. Und genau dieses Tunnelsystem soll mit dem «LunarLeaper» erforscht werden.

Die Lavatunnel sind vor allem für mögliche Langzeitaufenthalte von Astronauten auf dem Mond interessant. Die Bedingungen auf dem Mond sind relativ ungemütlich – man ist einer hohen Strahlenbelastung und grossen Temperaturunterschieden ausgesetzt. Das Tunnelsystem ist daher ein interessanter Standort für eine zukünftige Mondbasis.

Eine Mission, die um ein Haar gescheitert wäre

Am 16. Juli 1969 bestiegen drei Männer in weissen Raumanzügen eine Rakete. Kommandant Neil Armstrong und Buzz Aldrin sollten auf dem Mond landen, während Michael Collins im Mondorbit auf sie wartete.

Pünktlich um 9.32 Uhr war es so weit: «Apollo 11» hob ab und nahm Kurs auf den Mond. Der Flug verlief zunächst reibungslos, nach vier Tagen erreichte sie die Mondumlaufbahn. Alles schien nach Plan zu laufen, bis plötzlich die Warnlichter in der Kabine aufleuchteten – eine Überlastung des Bordcomputers.

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Innerhalb von acht Sekunden musste der 26-jährige Ingenieur Steve Bales, Teil des Bodenteams, entscheiden, ob die Mondlandung abgebrochen werden sollte oder nicht. Eine falsche Entscheidung hätte den Tod der drei Astronauten bedeuten können. Bales entschied sich für die Landung und Armstrong übernahm die manuelle Steuerung.

Astronaut neben Landemodul auf der Mondoberfläche.
Legende: Über 500 Millionen Menschen auf der ganzen Welt verfolgen in der Nacht auf den 21. Juni, wie Neil Armstrong und Buzz Aldrin den Mond betreten. Nasa

Was folgte, glich einem Krimi. 80 Meter über der Oberfläche war noch immer kein geeigneter Landeplatz in Sicht, und der Treibstoff reichte nur noch für 90 Sekunden. Danach hätte die Landung sofort abgebrochen werden müssen. Hinzu kam, dass Armstrong wegen des aufgewirbelten Mondstaubs kaum etwas sehen konnte. Die Erleichterung war gross, als die Sensoren an den Landebeinen endlich Bodenkontakt melden. Die Mondlandung war geglückt, das Unmögliche wurde möglich.

Der Song zur Landung

Frank Sinatras «Fly Me to the Moon» lässt seine Zuhörer bis heute von den Weiten des Weltraums träumen. Der Song wird nicht nur wegen seines Textes mit der Mondlandung in Verbindung gebracht.

Tatsächlich ertönte das Lied während der Fahrt zum Mond aus dem Bordfunk. «Fly Me to the Moon» war während der Fernsehübertragung der Mondlandung weltweit zu hören und wurde so zum inoffiziellen Soundtrack der Mission.

Heisst es bald: «Next Stop: the Moon»?

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Der Weltraum als Reiseziel für Superreiche ist keine Novität. Bereits 2001 reiste der Amerikaner Dennis Tito als erster Privatpassagier an Bord der ISS ins All – für stolze 20 Millionen US-Dollar. Der Preis für eine Reise zum Mond ist horrend, deshalb «ist der Mondtourismus im Moment vor allem für reiche Männer und Frauen interessant», sagt Thomas Zurbuchen. Zurbuchen kann sich vorstellen, dass sich das in Zukunft ändern könnte, aber bestimmt nicht heute oder morgen.

Das sei ähnlich wie zu Beginn der Luftfahrt vor mehr als hundert Jahren. «Am Anfang waren vor allem reiche Männer an Flugzeugen als Fortbewegungsmittel interessiert, die breite Bevölkerung konnte es sich nicht leisten.» Das änderte sich innerhalb weniger Jahre. «Ein Flug zwischen Zürich und den USA ist einerseits täglich machbar und andererseits für die breite Masse erschwinglich», sagt Zurbuchen.

Tagesgespräch, 22.07.2024, 13:00 Uhr

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