Rede an die Nation «Ein Bild der politischen Verwahrlosung»

Österreichs Bundespräsident Van der Bellen wendet sich an seine Mitbürger und appelliert an die Politik.

In einer Rede an die Nation hat der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen angesichts der schweren Regierungskrise versucht, den Bürgern Mut zu machen. Gleichzeitig verurteilte er das durch das Skandalvideo um FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vermittelte Bild, das die Politik in den letzten Tagen abgebe.

Auch wirtschaftlicher Schaden

«Wir haben ein Sittenbild gesehen, das Grenzen zutiefst verletzt. Ein Bild der Respektlosigkeit, des Vertrauensbruchs, ja der politischen Verwahrlosung.» Der dadurch angerichtete Schaden sei noch gar nicht abzuschätzen, so Van der Bellen. Nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich.

So sind wir nicht. So ist Österreich einfach nicht.

«Wie wir gesehen werden in der Welt, ist wichtig für die Exportwirtschaft», sagte Van der Bellen. «Und ganz besonders für die Frage, ob und welche Unternehmen sich in Österreich ansiedeln.» Auch im Ansehen des Landes im Bezug auf den Tourismus könne es um zehntausende Arbeitsplätze gehen.

«Wenden Sie sich nicht von der Politik ab!»

Das Bild Österreichs in Europa und der Welt wiederherzustellen und Vertrauen aufzubauen werde nur gemeinsam gelingen. Es sei nun nicht die Zeit für Wahlkampfreden, appellierte der Bundespräsident an die staatspolitische Verantwortung der Politiker und Parteien. «Denken Sie jetzt bitte nicht daran, was Sie für Ihre Partei kurzfristig herausholen können, sondern denken Sie daran, was Sie für Österreich tun können.» Die Frage jedes Einzelnen dürfe nun nicht sein «hilft es mir bei der Wahl?», sondern müsse lauten «hilft es Österreich?»

Ein gutes Vorbild zeigt Anstand nicht nur dann, wenn Kameras im Raum sind, sondern handelt anständig aus innerer Überzeugung.

Van der Bellen bat die Bürger, nicht alle Politiker pauschal in den selben Topf zu werfen und stattdessen die jüngsten Ereignisse differenziert zu betrachten. «Wir alle sollten danach streben, Vorbild zu sein. Und ich meine, die meisten Politiker in diesem Land tun das auch.»

Manchmal kämen Politiker von ihren Wegen ab und überschritten Grenzen. «In diesem Sinne entschuldige ich mich für das Bild, das die Politik bei uns gerade hinterlassen hat. So sind wir nicht. So ist Österreich einfach nicht.» Der Tatbeweis dafür müsse gemeinsam erbracht werden.

Nur Mut und Zuversicht! Wir kriegen das schon hin. Wir haben das in der Vergangenheit auch immer geschafft, das ist ja etwas typisch Österreichisches.

Seine Mitbürger rief Van der Bellen abschliessend auf, sich nicht angewidert von der Politik abzuwenden und sich am Sonntag an der Europawahl zu beteiligen.

Meistgelesene Artikel