Neues Tarifsystem Tardoc Was bedeutet das neue Tarifsystem für die Prämienzahlenden?

Die Gesundheitsbranche hat sich nach über zehn Jahren auf das neue Tarifsystem Tardoc geeinigt. Tardoc soll ab 2026 das als veraltet geltende Tarmed ablösen. Die Gesundheitsökonomin Katharina Blankart von der Berner Fachhochschule erklärt, was das neue Modell konkret für Patientinnen und Prämienzahler bedeuten könnte.

Katharina Blankart

Leiterin Gesundheitsökonomie & -politik an der BFH

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Katharina Blankart ist Professorin für Gesundheitsökonomie an der Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit (BFH). Sie arbeitet zusammen mit dem Hamburg Center for Health Economics der Universität Hamburg sowie dem Leibniz Science Campus Ruhr in Essen. An der BFH führt sie Effizienzanalysen im Gesundheitssystem durch und begleitet die Bewertung neuer Gesundheitstechnologien und Versorgungsmodelle. Sie beschäftigt sich zudem mit regulatorischen Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen auf Innovationen im Gesundheitswesen.

Katharina Blankart studierte Volkswirtschaftslehre und Business Research an der Ludwig-Maximilians-Universität München und promovierte 2012 in Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen. 

SRF: Warum kommt man mit einem neuen Tarifmodell, anstatt das alte System Tarmed zu aktualisieren?

Katharina Blankart: Zum einen war das System sehr komplex. Es hat in einigen Bereichen zu Überversorgung geführt und in anderen zu Unterversorgung, zum Beispiel in der Kindermedizin oder in der ambulanten psychiatrischen Versorgung. Das hat ein grundlegendes Update erfordert.

Das alte System hat in einigen Bereichen zu Überversorgung geführt und in anderen zu Unterversorgung.

Ein weiterer Aspekt ist der technologische Fortschritt, der jetzt noch besser abgebildet sein kann. Und das letzte sind die ambulanten Pauschalen, die es vorher so nicht gab und die jetzt parallel zu der Einzelleistungsvergütung im ambulanten Bereich existieren.

Man nimmt in diese Pauschalen ganze Behandlungsketten mit rein und legt fest, wie viel das kostet?

Das ist richtig. Das kennen wir schon bei den Spitälern, wo wir Fallpauschalen haben, und das ist jetzt eben auch im ambulanten Bereich möglich.

Warum hat die Einigung so lange gedauert?

Das ist darauf zurückzuführen, dass am Schluss der Bundesrat noch die Kostenneutralität gefordert hat – in beiden Systemen, auch wechselseitig. Um sich da zu einigen, waren viele Partner erforderlich.

Was bedeuten die Tarife für uns als Prämienzahlende? Steigen die Kosten?

So wie der Tardoc und die Fallpauschalen technisch aufgesetzt sind, sollte Kostenneutralität gegeben sein. Was wir aber noch nicht ganz absehen können, ist, inwieweit Behandlungen, die jetzt im Spital stattfinden, in den ambulanten Bereich kommen und wie sich die Dynamik des Systems entwickelt, wenn beide Tarife da sind. Das werden wir sehen.

Die Kostenneutralität, die Bedingung auf dem Papier war, könnte sich in der Praxis also anders entwickeln?

Die technische Umsetzung und die Forderung von allen Beteiligten, dass wir eine Kostenneutralität haben, ist gut implementiert, aber es kann auch sein, dass es für manche Leistungserbringer vielleicht sogar zu einer höheren Effizienz kommt, wenn sie nach Pauschale arbeiten müssen und falls sie vorher bei den Einzel­leistungs­ver­gütungen noch nicht ganz so effizient waren.

Die tatsächlichen Wirkungen werden wir erst in der Praxis sehen.

Dann kann es sein, dass sie jetzt mit der Pauschale auskommen müssen, wenn sie einen Patienten oder eine Patientin behandeln, und sich entsprechend anstrengen müssen. Das heisst: Die tatsächlichen Wirkungen werden wir erst in der Praxis sehen.

Das Gespräch führte Arthur Honegger.

10v10, 22.10.2024, 21:50 Uhr ; 

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