Konsumexpertin im Interview «Den Fünfräppler braucht es als Münze nicht unbedingt»

In der Schweiz sind 25 Prozent mehr Fünfräppler im Umlauf als noch vor zehn Jahren. Das zeigt eine Recherche von SRF. Dabei ist das «Fünferli» unpraktisch. Kaum ein Automat schluckt es. Versuche, die kleinste Münze abzuschaffen, sind bisher alle gescheitert. Der Detailhandel sieht keinen Grund für die Abschaffung. Die Stiftung für Konsumentenschutz befürchtet Preiserhöhungen. Nina Heim, Expertin für Konsumverhalten und Preise, zum Überleben des Fünfräpplers und möglichen Folgen einer Abschaffung.

Nina Heim

Markt- und Preisforscherin

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Nina Heim ist Dozentin und Projektleiterin im Bereich Behavioral Insights and Pricing am Institut für Marketing Management der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW.

SRF: 25 Prozent mehr Fünfräppler in den letzten zehn Jahren. Erstaunt Sie das?

Nina Heim: Ja, angesichts des Trends zum bargeldlosen Bezahlen ist diese Zunahme überraschend. Die steigende Anzahl könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Münzen oft zu Hause oder in Sparschweinen gehortet bzw. gesammelt werden, anstatt in den Wirtschaftskreislauf zurückzufliessen.

Der Fünfräppler ist eine unpraktische Münze: Viele Automaten und Parkuhren schlucken ihn nicht. Warum überlebt er dennoch?

Es gibt aus meiner Sicht mehrere Gründe: Tradition spielt hier sicherlich eine Rolle. Der Fünfräppler ist seit langem Teil des Schweizer Bargeldsystems.

Der Detailhandel profitiert von sogenannten «psychologischen Preisen» wie 4.95 Franken.

Weitere Gründe sind ein gewisses Festhalten an Bargeld und die Angst vor Preiserhöhungen durch Rundungen. Zudem ist der Fünfräppler im Einzelhandel weiterhin relevant, insbesondere bei Barzahlungen.

Warum ist das «Fünferli» für den Detailhandel wichtig?

Der Detailhandel profitiert von sogenannten «psychologischen Preisen» wie 4.95 Franken. Sie wirken günstiger auf Konsumenten, was den Verkauf fördert. Wir Konsumentinnen und Konsumenten teilen Preise in ein subjektives Kategoriensystem ein: teuer – sehr teuer – günstig. Häufig gibt es sogenannte Preisschwellen, an denen sich die Bewertung bei steigendem Preis sprunghaft verschlechtert.

Der Detailhandel befürchtet vermutlich, dass er bei einer Abschaffung des Fünfräpplers eher zu einer Abrundung auf beispielsweise 9.90 gezwungen wird, statt auf 10 Franken aufrunden zu können. Und zwar, um diese Preisschwellen der Konsumenten nicht zu überschreiten.

Was bewirken 0.95-Preise psychologisch?

Preise wie 4.95 Franken werden oft als günstiger wahrgenommen als 5 Franken. Dieser sogenannte left-digit-effect führt dazu, dass Konsumentinnen und Konsumenten den Preis unbewusst mit der niedrigeren vollen Zahl assoziieren, also 4 statt 5 Franken. Gebrochene Preise, also .95 oder .99, können zudem das Preisimage eines Geschäftes verbessern.

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Braucht es den Fünfräppler zwingend physisch, solange es entsprechende Preise gibt?

Nicht unbedingt. Andere Länder wie Finnland, die Niederlande oder Irland zeigen, dass Rundungen bei Barzahlungen durchaus möglich sind, ohne dass dies zu erheblichen Preissteigerungen führt. Aldi und Lidl setzen in der Schweiz bereits auf Rundungen und scheinen damit gut zurechtzukommen.

Könnte die Abschaffung des Fünfräpplers zu Preiserhöhungen führen, so wie es die Stiftung für Konsumentenschutz befürchtet?

Das Risiko besteht, dass Preise aufgerundet werden. Andererseits zeigen Beispiele aus anderen Ländern, dass eine Abschaffung nicht zwangsläufig zu einem generellen Preisauftrieb führen muss.

Das Gespräch führte Oliver Fueter.

Espresso, 9.10.24, 8:10 Uhr

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