Erfolg für Theresa May Britisches Kabinett einigt sich auf Brexit-Strategie

  • Nach monatelangem Gezerre hat sich die britische Regierung auf einen neuen Plan für die künftige Beziehung zur EU nach dem Brexit geeinigt.
  • Das teilte der Regierungssitz nach einer eintägigen Klausurtagung des Kabinetts auf dem Landsitz Chequers mit.
  • Teilweise nimmt die Regierung in London damit Abschied von ihrem harten Brexit-Kurs. Dennoch dürfte der Plan in Brüssel auf Skepsis stossen.
  • Der Luftfahrt-Konzern Airbus verschärft unterdessen seine Kritik an der Brexit-Politik Londons.

Grossbritannien will dem Entscheid in Chequers zufolge mit Blick auf den Warenverkehr auch nach dem Austritt aus der EU weiterhin eng an den europäischen Binnenmarkt gebunden bleiben. Damit soll verhindert werden, dass der grenzüberschreitende Handel und Lieferketten zwischen Grossbritannien und dem Kontinent beeinträchtigt werden. Sichergestellt werden soll dies durch ein «gemeinsames Regelbuch», in dem London EU-Vorschriften und Produktstandards übernimmt.

Freihandelszone für Waren als Ziel

Die britische Regierung strebt bei den Verhandlungen über einen Austritt aus der Europäischen Union somit eine Freihandelszone für Waren an.

Brexit: Airbus kritisiert London massiv

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Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus verschärft seine Kritik an der Brexit-Politik der britischen Regierung. Das Kabinett von Premierministerin Theresa May habe «keine Ahnung und keine Einigkeit, wie sie den Brexit ohne ernsthaften Schaden umsetzen kann», sagte Vorstandschef Tom Enders am Freitag in London.

Für den Airbus-Konzern mit vielen Standorten in Grossbritannien sei dies eine unangenehme Lage. Der Hersteller hatte schon früher vor schwerwiegenden Konsequenzen gewarnt und versucht, sich auf den schlimmsten Fall beim EU-Austritt Grossbritanniens vorzubereiten.

«Das Worst-Case-Szenario, der harte Brexit ohne Vereinbarung, würde bedeuten, dass wir keine Teile über die Grenze bekommen», ergänzte der Chef der Airbus-Verkehrsflugzeugsparte, Guillaume Faury. Der Konzern hat seinen Hauptsitz im französischen Toulouse und beschäftigt in Grossbritannien 14'000 Mitarbeiter an 25 Standorten. In den britischen Werken Filton und Broughton werden alle Flügel der Airbus-Verkehrsjets entworfen und hergestellt. An der britischen Zuliefererkette hängen rund 110'000 Jobs.

Um für den Fall eines ungeregelten Brexit mit langwierigen Grenzkontrollen nach Ende März 2019 gerüstet zu sein, will Airbus seine Lager aufstocken. Das wird laut Faury aber schwierig. «Unsere Zulieferer müssen ab jetzt 35 Prozent mehr produzieren als normal, damit wir Teile für drei Monate Produktion bekommen.» Dabei seien die Firmen schon an den Grenzen ihrer Möglichkeiten.

Im Unterschied zur Waren-Freihandelszone soll der Dienstleistungssektor nicht den gegenwärtigen Zugang zum EU-Raum beibehalten. Grossbritannien soll demnach die Möglichkeit haben, eigene Einfuhrzölle zu verhängen und neue Handelsabkommen zu schliessen. In Zukunft soll das Parlament auch entscheiden können, ob europäische Regeln und Vorschriften befolgt werden.

Einreise von EU-Bürgern bremsen

Die drei weiteren Freiheiten – Kapital, Arbeitskräfte und Dienstleistungen – sollen aber Beschränkungen unterworfen werden. Damit wollen die Briten die ungehinderte Einreise von EU-Bürgern stoppen und im wichtigen Dienstleistungssektor eigene Wege gehen.

Sie nehmen dabei in Kauf, dass Banken und Versicherungen keinen uneingeschränkten Zugang mehr zum EU-Binnenmarkt haben.

Auslegung durch britische Gerichte

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Auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) will sich London höchstens indirekt unterwerfen. Die Auslegung der gemeinsamen Vereinbarungen solle künftig in Grossbritannien aber britischen Gerichten zufallen. Lediglich da, wo sich das Land an EU-Regeln orientiere, werde die Rechtssprechung des EuGH als Richtschnur herangezogen. In Streitfällen zwischen London und Brüssel solle ein gemeinsames Komitee mit der Schlichtung beauftragt oder ein unabhängiges Schiedsverfahren eingeleitet werden.

Fraglich ist, ob Brüssel sich auf einen solchen Handel einlässt. Bislang hat sich die EU auf den Standpunkt gestellt, dass die vier Freiheiten des Binnenmarkts nicht einzeln verhandelbar sind.

Zwei verschiedene Zollsätze

Aus der Europäischen Zollunion will London weiterhin austreten, damit das Land eigene Handelsabkommen mit Drittstaaten wie den USA und China schliessen kann.

Um trotzdem Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu vermeiden, wollen die Briten für Importe aus Drittländern zwei verschiedene Zollsätze erheben: Einen für Waren, die für den europäischen Markt bestimmt sind, und einen anderen für Güter, die in Grossbritannien verkauft werden sollen. Auch das dürfte in Brüssel auf Skepsis stossen.

EU-Chefunterhändler Michael Barnier twitterte am Abend, er freue sich auf die detaillierten Pläne. Er kündigte an, die Vorschläge würden darauf überprüft werden, ob sie realistisch und umsetzbar seien, hinsichtlich der Verhandlungsrichtlinien der EU-Kommission.

Der deutsche CDU-Europapolitiker Elmar Brok äusserte sich skeptisch, ob Brüssel die Vorschläge akzeptieren wird. Der Plan sehe so aus, als strebe Grossbritannien eine Mitgliedschaft im Binnenmarkt nur für Waren an, sagte er dem Sender BBC.

Auf Einzelheiten zu dem Plan warten will auch Jacob Rees-Mogg. Der einflussreiche Hinterbänkler in der konservativen britischen Regierungsfraktion gilt als glühender Verfechter eines klaren Bruchs mit Brüssel. Sollte sich der Kompromiss als verkappter Verbleib in der EU herausstellen, werde er im Parlament dagegen stimmen, kündigte er an.

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